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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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kletterte weiter, er musste höher hinauf, höher!
    Friedrich blickte hinunter und wünschte sich sofort, er hätte es nicht getan. Direkt unter ihm waren seine Jäger. Der obere sah zu ihm hoch, das Gesicht zu einer abstoßenden Maske bösen Grinsens verzerrt. Gleich würde er seine Beute erlegen. Er streckte eine Pranke aus und griff nach Prieß’ Fuß.
    Dann bebte alles. Das ganze Schiff wurde von einem mächtigen Ruck erfasst. Das riesige Metallskelett stöhnte, ächzte, kreischte. Der Soldat unter Prieß konnte sich mit nur einer Hand nicht halten. Die Erschütterung ließ ihn mit den Füßen von den glatten Sprossen abrutschen, er fiel und riss dabei seinen Kameraden mit in die Tiefe. Einer schlug mit dem Hals auf das Geländer des Wartungsstegs. Es knackte laut und hässlich, und sein Körper blieb schlaff auf dem Laufgang hängen. Der andere fiel am Steg vorbei, auf die Ladeöffnung im Boden des Rumpfes. Das morsche alte Gewebe barst unter dem Gewicht des Körpers, und der Soldat stürzte schreiend in Leere und war verschwunden.
    Ich bin gerettet , dachte Prieß. Ein Wunder! Ich bin gerettet!
      
    »Was ist das?«, schrie Major Sonnenbühl, der aus einem der nach hinten gerichteten Fenster der Führergondel sah. Am Heck der Kronprinzessin , dort wo sich der Laderaum befand, war jemand in einer hellblauen Uniform aus dem Schiff gefallen. Seine Gliedmaßen flatterten grotesk, als er auf den Boden zustürzte.
    Sonnenbühl kochte vor Wut. »Und die Ruder sind immer noch blockiert! Also haben diese Idioten versagt! Herrgott, ich bin von Volltrotteln umgeben! Muss ich denn alles selber machen?«
    Er ergriff eine der Bren-Maschinenpistolen auf dem Kartentisch und rief dem Oberleutnant zu: »Ich werde mich selbst darum kümmern! Die Bombe muss um jeden Preis wie vorgesehen abgeworfen werden. Sie übernehmen die Brücke!«
    »Aber was soll ich tun, wenn –«, sagte der Oberleutnant.
    Doch Sonnenbühl war bereits die Treppe in den Rumpf hinaufgelaufen.
      
    Fahnenschwinger mit den Flaggen der Hansestädte bildeten die Spitze des Festzuges, gefolgt von dreißig Fanfarenbläsern in weiß-roten Renaissancetrachten. Nach ihnen kam der erste Wagen, gezogen von zwei gemächlich dahintrottenden Kaltblütern; zwischen reichlich drapierten Blumenranken stand in einer Dekoration aus Karton und Gips Graf Adolf von Schauenburg in glänzender Rüstung gemeinsam mit seinen gewappneten Gefolgsleuten und nahm die Unterwerfung vor ihm niederkniender Slawen entgegen. Die Zuschauer auf den überfüllten Bürgersteigen entlang der Holstenstraße spendeten begeisterten Beifall.
    Alexandra Dühring und Yvonne Conway liefen zwischen den vielen Menschen die Straße hinauf, stießen Leute beiseite, die ihnen im Weg standen, und nahmen die verärgerten Reaktionen nicht wahr. Etwa auf halber Höhe der Holstenstraße bogen sie nach rechts ab in eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern, in der eine steile Steintreppe direkt zum Petrikirchhof führte.
    Sie hatten kaum das obere Ende der Treppe erreicht, da packte die Engländerin Alexandra bei der Schulter und zog sie mit sich hinter einem Stapel Zementsäcke zu Boden. »Unten bleiben!«, sagte sie und machte dazu eine Geste, die das Gleiche ausdrückte. Alexandra zeigte durch ein kurzes Nicken, dass sie verstanden hatte. Dann hob die Engländerin vorsichtig den Kopf und spähte durch eine nicht einmal fingerbreite Lücke zwischen den Zementsäcken.
    Sie hatte sich nicht geirrt. Vor dem Kirchenportal am Fuß des Turms standen zwei Männer; die flachen Ausbeulungen ihrer Jacketts verrieten dem geübten Auge der Agentin, dass sie darunter Schulterhalfter mit Pistolen trugen.
    Reiner Zufall, dass sie uns nicht gesehen haben , dachte Yvonne Conway. Sie haben gleichzeitig zum Turm hinaufgeschaut. Unser Glück, die hätten sonst kurzen Prozess mit uns gemacht.
    Doch was nun? Die Engländerin blickte um sich. Neben ihr war eine Transportpalette aus rohen Holzlatten schräg an die gestapelten Säcke gelehnt. Drei Meter weiter lagen einige lange, rot und gelb lackierte Gasflaschen für Schweißgeräte nebeneinander auf dem zerfurchten Rasen, und in einer grob gezimmerten Kiste befand sich Werkzeug.
    Während ihrer Ausbildung zur Agentin hatte Sergeant Major Angus MacGyver von den Royal Engineers versucht, ihren Sinn für das Improvisieren unter Zeitdruck zu schärfen. Jetzt würde sich zeigen, ob seine Anstrengungen auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Sie bedeutete Alexandra mit einem Handzeichen,

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