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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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gerade erst aus einer schlimmen Situation gerettet. Er ist sehr erleichtert und redet in den letzten Tagen ständig darüber. Nach dem, was ich dabei über Sie gehört habe, arbeiten Sie verlässlich und sorgfältig. Daher habe ich mich entschlossen, mich auch an Sie zu wenden.«
    Dass seine Klienten ihn im Freundeskreis weiterempfahlen, war Prieß bislang nicht gewohnt gewesen. Einen Privatdetektiv zu engagieren, war etwas Unfeines, über das die Auftraggeber schamhaft schwiegen und woran sie später auch nicht erinnert werden wollten. Diese neue Erfahrung gefiel Prieß.
    »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten, Frau Diebnitz. Bitte, fahren Sie doch fort und schildern Sie mir, in welcher Angelegenheit Sie meine Dienste wünschen.«
    »Mein Mann ist tot«, sagte sie mit einer Sachlichkeit, die man leicht für Kälte hätte halten können. »Man fand ihn vor sieben Tagen mit einem Kopfschuss, seiner Pistole in der Hand und einem Abschiedsbrief. Es hieß, er hätte eindeutig Selbstmord verübt.«
    »Mein tief empfundenes Beileid zu Ihrem Verlust«, meinte Friedrich Prieß. »Ich vermute, Sie wünschen, dass ich in Erfahrung bringe, mit welchen Personen Ihr verstorbener Gatte vor seinem Freitod Umgang hatte?«
    »Nein«, entgegnete sie, und obwohl sie das Wort weder laut noch scharf aussprach, klang es für Prieß wie ein Peitschenknall. »Ich will, dass Sie den wirklichen Grund für seinen Tod herausfinden. Ich glaube nicht, dass er sich selbst das Leben genommen hat.«
    Prieß sah Franziska Diebnitz überrascht an. »Dann denken Sie, er wurde ermordet?«
    »Ermordet oder zum Selbstmord gezwungen, es wäre ein und dasselbe. Er war nicht die Art Mensch, die vor Problemen davonläuft. Er stellte sich ihnen, wie groß sie auch sein mochten. Alles andere hätte seinem Charakter widersprochen.«
    Ähnliches hatte Friedrich Prieß schon öfters von Frauen gehört, die ihm in seinem Büro gegenüber gesessen hatten. Sie alle hatten ihm versichert, ihre Ehemänner in- und auswendig zu kennen und nur deshalb einen Detektiv zu konsultieren, weil sie völlig sicher sein wollten, dass an dem Gerede, das ihnen zu Ohren gekommen war, kein Wort der Wahrheit entsprach. Fast alle diese Frauen waren dann aus allen Wolken gefallen, wenn er ihnen beweisen musste, dass sie ihre Männer wohl doch nicht so gut kannten, wie sie geglaubt hatten. Doch er hütete sich davor, Franziska Diebnitz auch nur durch das Zucken einer Augenbraue zu verraten, dass er solchen felsenfesten Überzeugungen kein großes Gewicht mehr beimaß.
    »Ich verstehe«, erwiderte er. »Können Sie mir eventuell Genaueres über Ihren verstorbenen Gatten und die Umstände seines Dahinscheidens sagen?«
    »Sein Name war Gustav Theodor Diebnitz und er war Oberst im RMA«, antwortete die Witwe.
    Der Detektiv runzelte unwillkürlich die Stirn und beugte sich ein wenig vor, als ob er plötzlich befürchtete, jemand könnte das Gespräch belauschen.
    »Sie sagten wirklich RMA? Das Reichsamt für Militärische Aufklärung?«
    Franziska Diebnitz hatte eine solche Reaktion offenbar erwartet und nickte zur Bestätigung. Prieß wäre es lieber gewesen, sie hätte sich nur versprochen gehabt. Über das RMA, den militärischen Geheimdienst des Generalstabs, kursierten zahllose Gerüchte und Legenden. Selbst wenn nur ein Hundertstel davon auf Wahrheit beruhte, blieb immer noch das Bild einer fast allmächtigen Organisation, die ihre Augen und Ohren überall hatte. Das musste sie auch, wenn sie das Deutsche Reich vor ausländischen Spionen und Verrätern im Innern schützen wollte, wie es ihre Aufgabe war. Trotzdem war es ratsam, nicht die Aufmerksamkeit des RMA zu erregen. Und Prieß hatte das ungute Gefühl, bereits in diesem Augenblick diese simple Grundregel zu verletzen.
    »Er hatte seit zwei Monaten eine neue Aufgabe am Physikalischen Forschungsinstitut Lübeck, nachdem er die letzten Jahre die Sicherheitsabteilung der Marineversuchsanstalt hier in Hamburg geleitet hatte«, fuhr sie fort. »Seit seiner Versetzung haben wir uns nur selten gesehen, da er nur alle drei Wochen für einige Tage hierher nach Hause kam. Die meiste Zeit wohnte er in Lübeck.«
    Bei der Erwähnung Lübecks fühlte Prieß sich, als hätte er unerwartet in eine Zitrone gebissen. Aber er ließ sich nichts anmerken und unterbrach Franziska Diebnitz nicht.
    »Vor einer Woche, am elften Mai, suchte mich ein Beamter der Kieler Kriminalpolizei auf und teilte mir mit, dass mein Mann am Morgen

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