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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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ohne Blick …«, singe ich, das Lied mit den »sieben Brücken« hat es mir angetan. Derweil zwischelfernsehert es leise im Hintergrund weiter.
    Dann pausiere ich mit dem Gesinge und setze mich vor die alte Glotze. Ich will gerade weiterzappen, als ich eine chemische Versuchsapparatur sehe, die zunächst mein Interesse erregt. Sie steht im Zimmer eines etwa achtzehnjährigen Jungen, dessen dargestelltes Verhalten mich ganz eigenartig an mich selbst erinnert. So wie ich ordnet er Hefte und Stifte akkurat auf dem Schreibtisch an.
    Arbeitet da einer beim Fernsehen, der mich kennt, zum Vorbild einer Rolle gemacht und dann entfremdet hat? Das frage ich mich, so auffällig ist das. Er ist zwar ein anderer Mensch als ich, aber subtil ist er genauso wie ich, das spüre ich. Daher zappe ich zunächst noch nicht weg. Denn das muss ich mir genauer ansehen.
    Er scheint genauso subtil Schwierigkeiten zu haben, Menschen zu verstehen wie ich. Zum Beispiel darf auch bei ihm niemand etwas in seiner Ordnung verändern, sonst rastet er aus. Das alles ist äußerst interessant! Denn in letzter Zeit studiere ich ja gerne das Verhalten der Menschen, um das Unverstandene zu verstehen. Bisher vergebens.
    Der Junge sitzt mit seiner Freundin an einem Gewässer, als die Polizei auftaucht. Es stellt sich heraus, dass er offenbar seit seiner Kindheit panische Angst davor hat, in ein Heim eingewiesen zu werden. Lieber wäre er tot. Das trifft mich tief. Ein Gefühl, das mir so sehr vertraut ist.
    Szenenwechsel. Man sieht das Sekretariat irgendeiner Schule. Ich schnappe beiläufig einen Satz auf: »… er hat das Aspirga-Syndrom …« Was soll das denn sein?, frage ich mich. Der schien doch ganz gesund zu sein! Leider wurde ich aus dem Film, was das angeht, nicht schlau.

Der seltsame Schlüssel
    In der darauffolgenden Nacht zum 6. Februar 2007, einem blassbeigen, milchigen Tag, albträume ich so schlimm wie schon lange nicht mehr. Es spielt, warum auch immer, in Hamburg, vielleicht wegen des anstehenden Marathons, für den ich noch keinen einzigen Kilometer trainiert habe. Ich sehe Schilder, viele, viele Straßenschilder überall, laufe völlig neben der Strecke, welchen Weg soll ich bloß nehmen?, frage ich mich, als die Zeit sich als perfekte Illusion entlarvt, ganz bizarr, es gibt keine menschlichen Wörter, um zu beschreiben, wie das geht.
    Der Traum fortsetzt sich mit allen möglichen Leuten – einschließlich derer aus längst vergangenen Zeiten – und mir selbst als Fremder inmitten eines Wirrwarrs von Straßenschildern, die alle irgendeinen Weg zeigen wollen, aber die Auswahl tiltet mich. Ich stehe außerhalb – und sehe mich – und es wird immer bizarrer. Ich als Mensch und doch nicht von dieser Welt – alle um mich herum wirken so röntgig durchschaubar und hadern mit Befindlichkeiten und Hierarchien, anstatt sich auf das faktenbezogene Leben zu konzentrieren.
    Ich bin völlig fertig und stehe neben mir. Ich sehe mich von außerhalb meines Körpers, wie so oft in solchen Albträumen der schlimmsten Sorte. Irgendwann sortiert sich die Handlung kausal nachvollziehbar. Da stehe ich auf einmal neben einer staubigen Piste im hohen Gras und sehe einen glanzblaudunklen Geländewagen heranstauben, der eine Vollbremsung hinlegt, als dessen Fahrer einen glitzernden Gegenstand im Straßengraben liegen sieht. Der Wagen setzt zurück. Der Mann steigt aus. Das – bin ich selber. Ich stehe neben der Piste und sehe den Fahrer als mein Selbst vor der Kulisse südamerikanischer schneeiger Andenvulkane stehen, bekleidet mit schwarzem Tank-Top und ausgewaschener Jeans, deren Nähte aufgehen wollen.
    Dann verschmelze ich mit dem Fahrer vollends und breche in Weinkrämpfe aus, weil ich endlich den Schlüssel gefunden habe. Ja, hier liegt er tatsächlich im Gras, ich sehe ihn blinken. Dann muss ich erst mal im hohen Gras neben der Piste pinkeln gehen – da wache ich gesichtsregnend auf, denn mein Blasendruck ist sehr hoch, in echt!
    Und dann muss ich an Argentinien denken, wo mein Sohn Raphael kurz vor der chilenischen Grenze vor der Kulisse mächtiger Vulkane an genau dieser geträumten Stelle im hohen Gras den verlorenen Autoschlüssel wiederfand. Das habe ich wohl nachgeträumt. Aber warum kam gerade jetzt dieser Traum? Und welcher Schlüssel lag da eigentlich?
    Ich gehe zum Klo, dann zurück ins Bett und versuche wieder einzuschlafen. Ich helfe nach, indem ich mich wie der kleine Tomai im Bett wälze, rechts rum – links rum, rechts rum –

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