Kaktus zum Valentinstag
fertigmachen.
Mich hochdienen, das kann ich nicht! Die wollen, dass ich erst schießen lerne, bevor sie mich zum General befördern. Ich kann aber nicht schießen. Aber ein General beziehungsweise ein Professor, der ohne das ganze tierisch-menschliche Hierarchiengehabe forscht, könnte ich sehr wohl sein. Aber so ein Professor bekommt überhaupt keine Chance. Weil nicht IQ, sondern EQ regiert. Warum soll ich noch leben?«
Stille im Wagen. Nur das Rauschen der Fahrgeräusche begleitet uns.
Ab 2008 würde die hausrettende Lebensversicherung auch bei Selbstmord zahlen. Daher ist diese Zahl zum Synonym dafür geworden, dass ich zeitweise fühle, bereit zu sein, um zu sterben. Ich möchte einfach durchgreifenden Erfolg haben oder nicht mehr weiterleben.
Ich habe mir mühsam rational erarbeitet, wie diese Spielregeln im Berufsleben funktionieren. Und ich habe es begriffen. Aber ich kann sie nicht selber spielen, da fehlen mir die entscheidenen Skills. So muss man zum Beispiel in der Lage sein zu erkennen, ob jemand gelangweiltoder interessiert ist, um dementsprechend mit seinem Werk fortzufahren. Bei mir scheitert es daran, dies nicht zu sehen.
Das Jahr, das über Leben und Tod entscheiden soll, 2008, es ist noch so weit in der Zukunft. Aber ich spüre, es ist das Jahr, in dem du begreifen wirst. Das Jahr der Gran Tournante. In dem endlich mal etwas anderes hinter dem nächsten Gebirgsrücken auftaucht. Das Jahr, in dem du noch mehr und vor allem anders als jetzt zurückblicken wirst. Aber von wo? Und warum? Was ist das bloß für ein eigenartiges Gefühl? Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas liegt in der Luft. Irgendwas ist da, was ich wissen muss und soll, um zu verstehen.
Am Tor zum Ich
Paris, Aéroport Charles-de-Gaulle. Draußen dunkelt es. Es ist Januar, seit einigen Tagen schreibt man das Jahr 2007. Ich bin dienstlich unterwegs. Mein Air-France-Flug ist zum Einsteigen bereit. Auf dem Weg zum Flieger erblicke ich in der milchig buntenden Abenddämmerung des Westhorizontes den in den Nachrichten angekündigten Kometen McNaught. Erinnerungen an März 1976 werden wach. Damals beobachtete ich im Morgengrauen den Kometen West am Osthimmel.
Leider grüßt mich McNaught nur wenige Minuten, bevor ich »das Borden completen« muss, um nicht vergessen zu werden. Dieser Komet erscheint eigenartigerweise wie ein Zeichen, das zu mir sprechen will. Sehr bald würde sich in meinem Leben etwas ändern, sagt mir eine innere Stimme. Aber was? Finde ich bald einen anderen Job, der endlich mal wieder meine Stärken nachfragt? Oder gibt es Schwierigkeiten mit der Gesundheit? Oder wird mich die Mau doch noch verlassen wegen meines merkwürdigen Verhaltens? Oder werde ich doch wieder ins gute Wetter ziehen? So ein Quatsch, ich bin doch nicht abergläubisch! Und dennoch. Es gefühlt sich sonderbar. Schließlich borde ich den Flieger. Die Linien der Taxiways ziehen am Fenster vorbei. Die gläsernen Randbefeuerungen an der Startbahn jagen sich immer schneller, bis sie nach unten wegfallen. Abgehoben.
In Frankfurt wolkt der Himmel, und als ich einen Tag später endlich wieder in Silencia bin, entwolkt sich endlich der Himmel wieder. Gegen Abend himmelt es blau. Ich gehe ins Feld, vorbei am rotrundenDurchfahrtverboten des Asphaltweges. Und starre gen Südwesten. Kein Kometkucken mehr möglich, der war schon in Australien und Neuseeland zu Besuch, jenseits des Horizonts, irgendwo unter mir. So soll ich wie damals den Kometen West auch McNaught kein zweites Mal sehen. Auch diesmal ist die Begrüßung gleich der Abschied.
Im weiteren Verlauf meines Lebens wird alles nur noch schwieriger. Manchmal starre ich stundenlang auf das Niederschlagsradar im Internet. Es ist himmelhoch ergötzend zu beobachten, wie sich Regengebiete und Gewitter über Deutschland entwickeln und weiterziehen. Schon immer faszinierte mich, wie sich etwas fortbewegt. So wie mich früher die vorbeizischenden Autos an der Autobahn oder das Wachsen von Wasserflüssen aus einer umgekippten Gießkanne glückten.
Nun sitze ich am Abend wieder einmal im Fernseh- und Musikzimmer unserer Wohngemeinschaft, um Abwechslung zu finden. Dieses Mal bin ich dort alleine. Ich schalte den Fernseher ein, um Nachrichten zu schauen. Es erscheint das Programm von RTL.
Dann fällt mein Blick auf das Klavier. So setze ich mich mal wieder davor, beginne zu singen und klaviere einhändig Noten als Stützräder zu meinem Gesinge, um den richtigen Ton zu treffen. »Manchmal geh ich meine Straße
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