Kaktus zum Valentinstag
leider wenig hilfreich: »Ich weiß nicht – Samba tanzen?«
»Das ist die eine Möglichkeit. Aber es gibt noch eine andere«, versuche ich es weiter.
»Ich habe nicht den blassesten Dunst. Verrat es mir!«, fordert sie mich auf. Leider ist sie immer noch kein Stückchen näher an mich herangerutscht.
Da ich einerseits keinerlei Ahnung habe, ob Martina wirklich bereit ist, und andererseits aber die gegebenen Kulissen nutzen möchte und muss, beginne ich damit, ihr die letzten Wochen in Erinnerung zu rufen:
»Du weißt doch noch, da in diesem Bauernhofmuseum, da hast du mir erzählt, dass der Kuhstall deswegen direkt neben dem Wohnhaus ist, damit man sich gegenseitig wärmen kann.« Ich erhalte leider wieder keine verwertbare Antwort.
»Körper spenden also Wärme. Wenn da also zwei Menschen sind, die dem Sonnenuntergang zuschauen, und denen ist kalt, dann …«
»Dann?«
Ich empfange einfach kein Signal, ob auch bei ihr der Moment gekommen ist, sich körperlich mehr als nur mit der Hand zu berühren. Keine Gegenfrage. Nichts – nichts – nichts. Innerlich verzweifle ich langsam. Wäre ich jetzt hier alleine, würde ich ganz stark zappelnd meine Emotion nach außen tragen. Aber ich kann mich beherrschen. Martina kennt mich noch nicht gut genug, als dass sie schon jetzt alles verstehen würde, vermute ich einmal.
Derweil sinkt die Sonne immer schneller immer tiefer. Bald ist sie untergegangen und ich habe möglicherweise die Chance meines Lebens verpasst. Lieber Gott, Manitu oder wie du auch immer heißen magst, ich brauche Hilfe. Ich habe verstanden, aber WIE soll ich es tun? Das Firmament sendet mir weiterhin deutlichste Signale einer höheren Instanz, etwas tun zu müssen. In mir echot eine herb-fordernde, englischsprachige Stimme: »Now, it’s your turn! Now OR never!«
Noch ist es hier draußen wie im Film, das ist sogar viel mehr Kulisse als im Film. Aber nicht mehr lange. Was mache ich bloß? Nein, wie – wie – wie mache ich das bloß? Wieder sitze ich da. Nichts. Dann fällt mir etwas Wichtiges ein: Eine ganz wichtige Bedingung, die meine zukünftige Frau erfüllen soll, ist ja, dass sie mich so nehmen soll, wie ich nun einmal bin. Denn wenn das nicht geht, dann wären wir ja auch gar nicht füreinander bestimmt.
Während ich darüber nachdenke, wird mir klar, dass ich hier eigentlich gar nichts weiter nachzudenken habe. Wenn ich meine, der Moment ist da, dann sollte ich ihn auch da sein lassen und handeln. Irgendwie. Egal wie. Egal wie ich es mache, wenn wir füreinander bestimmt sind, wird sie es mögen. So nehme ich allen Mut zusammen und umarme sie. Und es gibt tatsächlich keine »Spinnst du«-Reaktion. Also gehe ich weiter und nehme sie mit einem »Dann können wir ja auch DAS machen« zu mir auf meinen Schoß.
Anschließend frage ich sie: »Hast du das auch gedacht?« Zwar bejaht sie das, aber irgendwie scheint da noch was zu fehlen. Einerseits gibt es keine Abstoßreaktion. Andererseits ist das, was ich mache, einfach noch nicht wie im Film. Da fehlt noch was. Das Schmusen und Küssen. Aber kann ich sie denn jetzt wirklich schon küssen? Einfach so? Mehr als ein »Spinnst du!« kann da ja eigentlich auch nicht kommen.
In diesem Moment fällt mir ein, dass es im Fernsehen einmal so eine Lektion über den idealen Kuss gab. Leider habe ich diese Lektion nicht mehr in Erinnerung. Da sagt auf einmal eine innere Stimme zu mir, so wie eine allerletzte Ermahnung:
Wenn du über einen reißenden Fluss willst, und da ist jetzt eine Brücke, gehe rüber. Wer weiß, ob und wann die nächste kommt! Auch wenn du dich unsicher und unvorbereitet fühlst!
Also muss ich da jetzt rübergehen. Ich gebe mir den alles entscheidenden Tritt zum Schritt über die Brücke. Vorsichtig nähere ich mich ihrem Gesicht. Noch ein letzter Blick auf die filmkitschige Szenerie mit dem glutroten Westhimmel bei der untergehenden Sonne und dann kleben meine Lippen auf den ihrigen.
Die Menschen auf der Erde schreiben den 23. Oktober 1991. Und mir gelingt der erste Kuss mit Martina. Romantik nach spontan geplantem Drehbuch. Schnell stellt sich heraus, dass Martina sogar dieganze Zeit nur darauf gewartet hat. Und ich Dussel hätte die Chance fast wieder einmal verpasst.
Weil ich immer alles genau planen möchte. Die Kulisse stimmte, der Ort stimmte. Aber der Kuss, ein Zeichen der Liebe, der wollte sich einfach nicht planen lassen. Gefühle lassen sich nicht planen. Und wenn das mit der Beziehung klappen soll, muss ich
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