Kaktus zum Valentinstag
auf.
Der emotionale Durchbruch gelingt beim Song Mull of Kintyre . Ich fasse Martina an, stelle sie vor mir auf und beginne, ihre Füße zu sortieren. Ich zeige ihr das 1–2-3-Quadrat, den Grundschritt des langsamen Walzers. So dreiviertelt unser allererster gemeinsamer Tanz über die Auslegeware meines Zimmers. Welch ein Moment!
Ich habe es schon nicht mehr zu hoffen gewagt, so etwas noch erleben zu dürfen. Zum allerersten Mal tanze ich nun tatsächlich mit einer Dame, die noch nicht vergeben ist, die frei ist von allen Zwängen, die sich sogar mit mir beschäftigt. Ich spüre wahre innere Hingabe. Die Szene wird zum Meilenstein meines Lebens.
Fortan nehme ich sie mit zum Tanztraining der Kieler Universität. Und es gefällt mir, wie Martina das romantische Fahrradfahren in den Hüttener Bergen und entlang der Schlei genießt. Nachdem wir seit über zwei Stunden am Strampeln sind, sage ich ihr: »Hier konnte Cordula nicht mehr!« Denn Martina hat den Fahrradausdauerfahrtest bestanden! Congratulations! Kein: »Ich kann nicht mehr«, kein: »Wann fahren wir denn endlich wieder zurück?«, kein: »Muss das denn jetzt sein?« Herrlich. Der Weg ist das Ziel! Und Martina sieht es genauso! Herrlich fraulich!
Sonne, Mond und Liebe
Die Strategie mit dem Schenken von Erinnerungen ist ein Volltreffer. Sie scheint voll zu funktionieren. Seit Tagen sind wir jeden Tag zusammen. Viele kleine Radtouren rund um Gettorf und Ausflüge an die Ostseeküste zwischen Kiel und Eckernförde haben wir nun bereits zusammen gemacht.
Der Kalender zeigt bereits den 23. Oktober 1991. Das ist ein rotblauer Tag vor rostbraunweißem Hintergrund. Noch haben die Bäume Blätter. Noch liegt damit ein allerletzter Hauch Sommer in der Luft,obwohl es deutlich herbstet. Wir sind bei herrlichem Wetter zusammen mit dem Fahrrad unterwegs, um diese natürliche Energie in uns aufzunehmen. Zunächst geht es zur Schlei, dann rauf in die Hügel der Umgebung.
Wir fahren durch einen herbstlich verzauberten Wald bei Lehmsiekberg. Dann erreichen wir einen Aussichtspunkt, bei der sogenannten Hermannshütte. Dort steht eine uns einladende Holzbank. Von hier schweift der Blick über die Wiesen und Hecken, über Felder und Wasserflächen der Schlei. Und man sieht das Moor und den Hof, wo Martina aufgewachsen ist.
So lassen wir uns auf der Bank nieder, um die herrliche Aussicht zu genießen. Während mein Blick so über das Land schweift und dann Richtung Martina geht, fühle ich mich wie »so a Bua« aus so einem Heimatfilm, der mit seiner Geliebten unterwegs ist. Und der Zuschauer, der will jetzt wissen, wann und wie werden die beiden sich endlich zum allerersten Mal küssen.
In diesem Moment begreife ich, dass geradezu traumartige Bedingungen herrschen, um genau diesen nächsten Schritt zu tun. Sogar die glutrot untergehende Sonne fehlt nicht. Immer wenn es in den Filmen solche Kulissen gab, wurde es romantisch. Mehr kann Gott sicherlich nicht tun, um mir zu sagen, was ich zu tun habe.
Obwohl ich eigentlich den ersten Kuss erst nach mehreren Monaten des Kennenlernens erwartet hatte, spüre ich, dass der Moment gekommen ist. Aber gleichzeitig weiß ich nicht, wie ich es anstellen soll. Auf meiner Lebensstraße sehe ich eine Abzweigung. Wer neue Wege finden will, muss ohne Wegweiser auskommen. Ich entschließe mich, in diese neue, völlig unbekannte Straße einzubiegen. Wenigstens, um festzustellen, ob dies der Weg sein könnte, den ich gehen will, oder ob es eine Sackgasse ist.
So schauen wir zusammen der glutrot untergehenden Herbstsonne zu. Dabei wird es leider immer kühler. Von menschlicher Wärme keine Spur. Dennoch empfange ich nach wie vor starke Schwingungen, die mir anzeigen, dass es sich genau hier und jetzt entscheiden wird, ob sich aus dieser Freundschaft etwas entwickeln kann oder nicht. Wenn wir jetzt einfach aufstehen und wieder davonfahren, wird sich nichts ändern. Das spüre ich.
Also warte ich. Aber es passiert nichts. Es ist still und erhaben. Am Osthorizont geht derweil sogar noch der Vollmond auf. Das Firmament stellt nun alles bereit, was es bereitstellen kann. Mehr filmkitschige Kulissen sind nicht mehr möglich. Ein untrügliches Zeichen?!
Martina sitzt zwar neben mir auf der Bank, aber das ist für das, was jetzt kommen muss, noch viel zu weit weg. Ich beschließe, die um sich greifende Kühle zur Hilfe zu nehmen:
»Was kann man machen, damit einem warm wird, rate mal«, fordere ich sie auf.
Ihre Antwort ist für meine Zwecke
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