Kaktus zum Valentinstag
gehend das Bauernhofmuseum in Molfsee. Und dort erfahre ich unter anderem, dass man früher mit dem Vieh zusammen unter einem Dach wohnte. Dabei war das Wohnhaus nur durch eine Wand vom Stall getrennt. Ja, dann wohnt Martina wohl wirklich in einem Museum. Denn in der Bauernkate, in der sie noch heute mit ihrer Mutter zusammen wohnt, sind die heute leer stehenden Viehställe Teil des Gebäudes.
Auch lerne ich interessante sprachliche Dinge dort. So manch eine Satzvokabel, die die Menschen heute verwenden, bekommt Leben und Sinn. Zum Beispiel, warum es heißt, du musst mal einen Zacken zulegen oder mehr Dampf machen. Heute würde man dazu sagen, du musst mehr Output bringen.
Früher hing der Topf an so einer Zackenschiene über dem Feuer. Und wenn heißer gekocht werden sollte, musste man den Topf einen Zacken weiter nach unten hängen, also einen Zacken zulegen, von oben an gerechnet. Das und noch viel mehr sind Dinge, die mich erreichen, weil ich nun die Welt auch durch die Augen meiner Freundin sehen kann. Eine Bereicherung!
Fast immer bleibt Martina bis spät in die Nacht. Wir tauschen uns über Gott und die Welt aus. Dabei versuche ich natürlich, meine anhand vorangegangener Fast-Beziehungen erarbeiteten Checklisten abzuarbeiten, damit nicht wieder wertvolle Zeit in die Anbahnung einer Beziehung gesteckt wird, deren Scheitern rational absehbar ist. Das wäre wertvolle, verlorene Zeit.
Ihre Haare und ihre Klamotten sind für meinen Geschmack nicht optimal, aber solche Äußerlichkeiten sind ja auch nicht Bestandteil der Checkliste. Äußeres kann sich rasch ändern.
Schnell stelle ich in den ersten Tagen zu meiner Freude und Begeisterung fest, dass sie auch wirklich nicht raucht und trinkt, auch keineklassische Discotante ist, dass sie auch nicht gerne tratscht und klatscht. Sie scheint klug und ruhig zu sein, nimmt auf mich und meine Eigenheiten offenbar Rücksicht. Das Allerallerwichtigste aber, die notwendigste aller Bedingungen, die vielleicht sogar als hinreichend bezeichnet werden kann, weil sie vielleicht auch Dinge kompensieren kann, die ich nicht mögen würde, ist:
Sie scheint ehrlich, transparent und offen zu sein. Man kann alles ansprechen, was es zu besprechen gibt, da sind keine Tabuthemen. Das ist äußerst wichtig. Weil ich immer wieder dieses latente Gefühl habe, dass ein Großteil der Kommunikation zwischen den Menschen an mir vorbeigeht, und außerdem sind Verschwiegenheiten aller Art grundsätzlich Gift für eine Beziehung!
Trotzdem traue ich dem Gefühl, dass sie die Richtige sein könnte, noch nicht so ganz und das sage ich ihr auch. Es fehlen einfach erlebte Fakten. Gemeinsame Erlebnisse, gemeinsame Reisen, gemeinsame Interessen. Kurzum alles, was Menschen in ihrer Identifikation zusammenbringen kann.
Immer wieder kommt es vor, dass Martina mir seltsame Dinge erzählt, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie eine Rolle spielen. Meistens geht es dabei um Befindlichkeiten und Gedanken anderer Menschen über das eigene Verhalten und Benehmen. Wie soll ich mich an etwas ausrichten, das ich nicht spüren, geschweige denn sehen kann, frage ich sie.
»Peter, so was merkt man doch!«
»Ähhh – Beee! Das finde ich äußerst bedenklich! Wenn es da draußen lauter Menschen gibt, die das eigene Dasein nur nach unwichtigem Kram be- und verurteilen, dann hätte ich ja überhaupt keinen Einfluss darauf, sie durch Leistung oder durch Ideen zu überzeugen.«
Ich beginne zu ahnen, dass in den Gesprächen mit Martina Informationen diskutiert werden, die mich bisher in der Form noch nie erreicht haben. Das sind alles Dinge rund um Emotionen, von denen ich bislang glaubte, dass sie letztendlich doch keine nachhaltige Rolle spielen können. Denn meine Abiturnoten und mein Diplom habe ich doch schließlich für das bekommen, was ich abliefere, und nicht dafür, wie ich bin.
Als Martina wieder bei mir ist, gehe ich zum Plattenspieler. Diesmal wähle ich ganz bewusst Titel aus, die wie Filmmusik wirken sollen, Filmmusik zum realen Leben sozusagen. Titel, die man auch einfach als Anfänger betanzen können sollte. Morning has broken ist einsolcher Titel, der auch gleich mithelfen kann, meine innere Mauer zu überwinden.
Es dauert nicht lange, da fühle ich den Film, den eigenen Lebensfilm. Die Stimmung. Das Knistern im Raum. Ich spüre, wie sich meine Emotionen den Weg bahnen, um die Mauer zu überwinden. Aber noch tanzen wir leider nicht. So lege ich schließlich eine Platte der Kelly Family
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