Kalle Blomquist
wagen, wenn Astor ihn so unheimlich anknurrte und die Zähne zeigte? Hilfesuchend sah er sich um und bemerkte zu seiner Freude, daß ein Onkel auf ihn zukam. Derselbe Onkel übrigens, der Nicke operiert hatte.
Doktor Hallberg war auf dem Weg zum Krankenhaus, als er den kleinen Ritter der Weißen Rose vor Astors Hütte stehen sah.
Selbstverständlich wußte der Doktor nicht daß er einen Ritter vor sich hatte. Er konnte sehr wütend werden, wenn die Kinder den Astor reizten, und deshalb beschleunigte er seine Schritte, um einzugreifen. Aber Rasmus, der in dem Glauben lebte, daß nicht nur Kidnapper, sondern auch Oberärzte nette Menschen seien, sah bittend zu dem strengen Gesicht hinauf und sagte:
»Hör mal, nimm doch mal deinen Hund da raus, ich will nämlich den Großmummrich holen!« Und als der Doktor nicht sofort tat, worum er gebeten worden war, nahm Rasmus ihn bei der Hand und zog ihn sanft, aber bestimmt zur Hundehütte.
»Komm, beeil dich«, sagte er, »denn ich habe keine Zeit!«
»Hast du nicht?« sagte Doktor Hallberg und lächelte. Jetzt erkannte er Rasmus – das war doch der kleine Junge, der entführt worden war und von dem so viel in den Zeitungen gestanden hatte.
»Willst du nicht mitkommen und Nicke guten Tag sagen?«
fragte der Doktor.
»Ja, aber erst, wenn ich den Großmummrich habe«, sagte der kleine Ritter unerschütterlich.
Nicke erfuhr alles über den Großmummrich. Er durfte ihn sogar sehen. Rasmus hielt ihn ihm stolz unter die Nase. Und er stieß einen Kriegsschrei aus, damit Nicke hören konnte, wie das war.
»Jetzt bin ich nämlich eine Weiße Rose, verstehst du, Nik-ke?« erklärte Rasmus. »Vor einer Stunde habe ich darauf einen Eid geschworen.«
Nicke sah ihn mit Stolz in den Augen an. »Ja, und eine feinere Weiße Rose hätten die nie kriegen können«, sagte er zufrieden.
Rasmus streichelte ihm die Hände. »Schön, daß du nicht mehr schläfst, Nicke«, sagte er.
Nicke fand das auch. Sicher würde es noch eine ganze Zeit dauern, bis er das Krankenhaus verlassen durfte. Aber er wußte, er würde gesund werden, und was dann kam, sollte wohl auf irgendeine Art in Ordnung gebracht werden. Sowohl Doktor Hallberg als der Professor hatten versprochen, ihm zu helfen, soviel sie konnten. Nicke sah also der Zukunft in Ruhe entgegen.
»Und es ist gut, daß du nicht mehr blutest«, sagte Rasmus und zeigte auf Nickes schneeweißes Hemd. Das fand Nicke auch. Er war vorher nie krank gewesen und besaß noch die tiefe Bewunderung des Naturkindes für die seltsamen Einfälle der Medizinmänner. Das mit der Bluttransfusion zum Beispiel – davon mußte er Rasmus doch noch erzählen.
»Stell dir vor, die Doktoren nahmen Blut von einem anderen Menschen und pumpten es mir dann ein, weil ich auf Kalvö so viel davon verloren hatte.«
Rasmus fand auch, daß es ganz merkwürdig war, was die Ärzte sich so ausdachten.
Aber er hatte es plötzlich sehr eilig. Eigentlich durfte man ja keine Krankenbesuche machen, wenn man mit dem Krieg der Rosen zu tun hatte. Er drückte den Großmummrich in seiner Hand und lief zur Tür.
»Hallo, Nicke«, sagte er, »bis dann. Ich komme mal einen anderen Tag wieder zu dir.« Bevor Nicke antworten konnte, war er verschwunden.
»Du kleines Häschen«, flüsterte Nicke ganz leise vor sich hin.
Kalle und Anders und Eva-Lotte saßen noch immer auf dem Bäckereiboden. Bäckermeister Lisander war gerade mit frischen Schnecken bei ihnen gewesen.
»Eigentlich dürftet ihr ja keine Schnecken haben«, brummte er, »bei so viel Ärger, den man durch euch hat. Aber«, und er streichelte Eva-Lottes Backen, »genaugenommen habt ihr natürlich trotzdem Schnecken verdient.«
Als er wieder in seine Backstube gegangen war, hörte man von draußen einen Kriegsschrei. Der ausgesandte Kundschafter kam zurück. Mit dem Gepolter einer ganzen Heerschar kletterte er die Bodentreppe hinauf.
»Hier«, sagte er und schleuderte den Großmummrich auf den Fußboden.
Kalle, Anders und Eva-Lotte starrten ihn an. Sie starrten den Großmummrich an. Und dann begannen sie zu lachen.
»Die Weiße Rose besitzt eine Geheimwaffe«, jubelte Anders.
»Wir besitzen Rasmus!«
»Ja, nun können die Roten baden gehen und endgültig Feier-abend machen«, sagte Kalle.
Rasmus sah unruhig von dem einen zum anderen. Die lachten doch wohl nicht über ihn? Er hatte doch hoffentlich alles richtig gemacht?
»Ich hab’s doch wohl richtig gemacht?« fragte er ängstlich.
Eva-Lotte gab seinem Näschen
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