Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
ERSTES KAPITEL

    »Blut! Daran ist nicht zu zweifeln!« Er starrte durch das Vergrößerungsglas auf den roten Fleck. Dann schob er die Pfeife in den anderen Mundwinkel und seufzte. Natürlich war es Blut.
    Was war denn auch sonst schon zu sehen, wenn man sich in den Daumen geschnitten hatte?
    Dieser Fleck da sollte der endgültige Beweis dafür sein, daß Sir Henry seine Frau durch den abscheulichsten Mord beiseite gebracht hatte, den jemals ein Detektiv aufklären mußte. Aber leider – es war anders! Das Messer war ausgerutscht, als er seinen Bleistift anspitzen wollte – das war die traurige Wahrheit.
    Und das war wahrhaftig nicht Sir Henrys Schuld. Vor allen Dingen deswegen, weil Sir Henry, das Rindvieh, nicht einmal existierte. Traurig war das! Warum hatten so viele Menschen das Glück, in den Slumbezirken Londons oder in den Verbre-chervierteln von Chikago geboren zu werden, wo Mord und Schießerei an der Tagesordnung waren? Während er selbst …
    Er hob widerstrebend seinen Blick von dem Blutfleck und schaute aus dem Fenster.
    Die Hauptstraße lag träumend und im tiefsten Frieden in der Sommersonne. Die Kastanien blühten. Es war kein lebendes Wesen zu sehen außer der grauen Katze des Bäckers, die auf der Kante des Bürgersteiges saß und sich die Pfoten leckte. Nicht das allergeübteste Detektivauge konnte etwas entdecken, was darauf hindeutete, daß ein Verbrechen begangen worden war.
    Es war wirklich ein hoffnungsloses Beginnen, in dieser Stadt Detektiv zu sein! Wenn er groß war, würde er, sobald sich eine Möglichkeit bot, in die Londoner Slumbezirke ziehen. Oder vielleicht besser nach Chikago?
    Der Alte wollte, daß er im Geschäft anfangen sollte. Im Geschäft! Er! Ja, das könnte denen so gefallen, allen Mördern und Banditen in London und Chikago! Da konnten sie nach Her-zenslust morden, ohne daß jemand hinter ihnen her war, während er im Geschäft stand und Tüten drehte und grüne Seife oder Hefe abwog. Nein, wahrhaftig, er hatte nicht die Absicht, Rosineneinpacker zu werden! Detektiv oder gar nichts! Der Alte konnte wählen! Sherlock Holmes, Asbjörn Krag, Hercule Poirot, Lord Peter Wimsey, Karl Blomquist! Er schnalzte mit der Zunge. Und er, Kalle Blomquist, hatte die Absicht, der Beste von allen zu werden.
    »Blut! Daran ist nicht zu zweifeln«, sagte er zufrieden.

    Draußen auf der Treppe hörte man Gepolter, und eine Sekunde später wurde die Tür aufgerissen, und Anders kam erhitzt und keuchend herein. Kalle betrachtete Ihn kritisch und machte seine Beobachtungen.
    »Du bist gerannt«, sagte er schließlich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
    »Klar bin ich gerannt«, sagte Anders gereizt. »Hast du gedacht, ich komme auf der Tragbahre?«
    Kalle versteckte seine Pfeife. Nicht deswegen, weil es ihm etwas ausmachte, daß Anders ihn beim heimlichen Rauchen überraschte. Es war nur so, daß er keinen Tabak in der Pfeife hatte.
    Aber ein Detektiv braucht seine Pfeife, wenn er sich mit Problemen herumschlägt. Wenn der Tabak auch gerade mal alle war.
    »Wollen wir ein Stück bummeln?« fragte Anders und warf sich auf Kalles Bett.
    Kalle nickte zustimmend. Natürlich wollte er mit. Er mußte ja unter allen Umständen noch einmal vor dem Abend durch die Straßen patrouillieren, falls etwas Verdächtiges aufgetaucht sein sollte. Natürlich gab es Polizisten, aber so viel hatte man ja gelesen, daß man wußte, was man von ihnen zu halten hatte. Sie erkannten keinen Mörder wieder, selbst wenn sie über ihn stolperten.
    Kalle legte das Vergrößerungsglas in seine Schreibtischschublade. Dann stürmten sie beide die Treppe hinunter, so daß das Haus in seinen Grundfesten erzitterte.
    »Kalle, vergiß nicht, daß du heute abend das Erdbeerbeet gießen sollst!«
    Das war die Mutter, die ihren Kopf durch das Küchenfenster steckte. Kalle winkte beruhigend mit der Hand. Klar, er würde die Erdbeeren gießen. Später.
    Später, nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß keine dunklen Gestalten, die Böses im Sinn hatten, im Weichbild der Stadt umherschlichen. Nicht daß – leider – viel Aussicht dafür gewesen wäre, aber man muß immer auf dem Posten sein. Das hatte man im »Fall Buxton« erlebt, wie es kommen kann. Da ging man friedlich in der Gegend umher, und – wups – kommt ein Schuß in der Nacht, und ehe man mit den Augen zwinkerte, waren vier Morde geschehen. Damit rechneten die Halunken, daß niemand in so einer kleinen Stadt an einem so schönen Sommertag einen Verdacht

Weitere Kostenlose Bücher