Mutter abbekommen, Gott hab sie selig. Die Frauen Kalabriens seien bekannt für ihr burschikoses Naturell und ihr spitzes Mundwerk. Außerdem hege Giulietta wahrscheinlich selbst ein weibliches Interesse für Packer, aber seine Begeisterung für Leonora verderbe ihr anscheinend den Spaß.
Giulietta sagte: »Die Pizza kommt gleich. Leonora auch. Vater hat ihr gesagt, dass du zurück bist. Sie ist viel zu jung für dich.«
»Sie ist fünfundzwanzig.«
»Dann bist du zu alt.«
»Das sage ich ihr ständig.«
»Wehe, du brichst ihr das Herz.«
»Das tue ich ständig, aber es scheint ihr nichts auszumachen.«
Ein Gast am Nebentisch verlangte die Rechnung, Giulietta ging zum Tresen. Packer schaute aus dem Fenster, auf der Straße und dem Fußweg verwandelte sich der Schnee in dreckigen Matsch. Für den Nachmittag hatte der Wetterbericht sogar etwas Sonne vorhergesagt.
Zwei Hände legten sich auf seine Augen. Sie rochen nach Zwiebeln und waren sehr warm.
»Michelle Hunziker?«, fragte Packer.
»Falsch«, sagte Leonora.
»Sophia Loren?«
»Falsch.«
»Ich hab’s: Benito Mussolini!«
»Oh, du!«
Leonora drehte seinen Kopf zu sich herum und küsste ihn auf die Wange. »Wo bist du gewesen? Was ist passiert? Warum hast du nicht angerufen?«
Sie setzte sich ihm gegenüber, mit zusammengepressten Knien und im Schoß gefalteten Händen.
Eduardo sah es nicht gern, wenn sich das Personal vertraulich mit den Gästen unterhielt, egal ob es sich um seine Töchter oder um Angestellte handelte.
»Für drei Antworten auf einmal ist es noch etwas früh, findest du nicht?«, antwortete Packer. Seine Stimme klang müde. Die langen Tentakel der Ereignisse griffen nach ihm. Er nahm einen Doppelschluck von seinem Frascati.
»Ich hab mir Sorgen gemacht«, sagte Leonora. »Um dich.«
»Ich mir auch.«
Ihre braunen Augen lachten ihn an.
»In einer Stunde habe ich frei, dann erzählst du mir alles.«
Das würde dauern, dachte er.
»Vielleicht später, ich bin ziemlich müde.«
»Mein armer Phong. Ich lasse dir ein heißes Bad ein, und danach könnte ich dir ein paar Wünsche erfüllen.«
Leonora flirtete so offensichtlich, dass nur eine ausdrückliche Einladung ins Bett es klarer hätte auf den Punkt bringen können, doch bei ihr wusste er nie genau, ob sie ihn aufzog mit ihrer Kleinmädchenmasche oder ob sie es tatsächlich ernst meinte.
»Dann leih mir dein Handy«, sagte er. »Ich muss jemanden anrufen. Es ist dringend.«
Leonora legte den Kopf schief, auf ihrer Stirn bildete sich eine süße Zornesfalte.
»Wie heißt sie?«, fragte sie spitz.
»Jenna.«
»Ist sie hübsch?«
»Und wie.«
»Gehst du trotzdem mal mit mir aus?«
»Sobald Liechtenstein Ansprüche auf das Öl unter dem arktischen Eis erhebt. Versprochen.«
Ende
Der Autor
Hans-Hermann »Hannes« Sprado, 1956 in Bassum geboren, ist Herausgeber und Chefredakteur der »P.M.«-Zeitschriftengruppe. Zuvor war er Redakteur beim »Weser-Kurier«, bei »BUNTE« und Chefreporter der »BILD«-Zeitung. Bislang sind von ihm die Thriller »Risse im Ruhm«, »Tod auf der Fashion Week«, »Das dunkle Ritual« und »Runengrab« erschienen. Er ist auch Autor des spannenden Sachbuchs »Verfressen, sauschnell, unkaputtbar – das fantastische Leben der Kakerlaken«.
Sprado lebt mit seiner Familie in München und Neubruchhausen bei Bremen.
Der Inhalt dieses Romans ist frei erfunden, ebenso die genannten Personen und Firmen. Allerdings erwähne ich darin reale Orte und einige historische Charaktere, die von zentraler Bedeutung für die Glaubwürdigkeit der Handlung sind. Ähnlichkeiten mit bekannten Unternehmen und lebenden Personen wären rein zufälliger Natur, beabsichtigt sind sie nicht (Hannes Sprado).
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