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Kalter Schlaf - Roman

Kalter Schlaf - Roman

Titel: Kalter Schlaf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A J Cross
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betraten, in dem sie nur ungern parkte.
    Ihr Blick glitt rasch über die mit parkenden Autos voll gestellte Fläche, zwischen denen tiefe Schatten lagen. Ihre Vorsicht war eine Folge ihrer theoretischen Kenntnisse als Dozentin für Forensische Psychologie und ihrer Arbeit als Gerichtsgutachterin bei der Verurteilung oder Entlassung von Straftätern oder Häftlingen. In dieser Rolle hatte sie alle möglichen Fragen zu beantworten, aber das Wesentliche blieb immer gleich: Wie hoch schätzte sie das Risiko ein, dass der Begutachtete in Zukunft noch mal Sexual- und/oder Gewaltverbrechen begehen würde? Durch ihre Arbeit hatte sie Kontakt mit einem Sammelsurium von problematischen Typen, darunter Opportunisten, Neurotiker und Bösartige, und manchmal musste sie ihre Beurteilung vor Gericht verteidigen.
    »Ich bin heute zu Fuß unterwegs. Soll ich dich zu deinem Wagen begleiten?«, fragte Harry, der Kates Gesichtsausdruck und ihr kurzes Zögern richtig deutete. Sein ritterliches Angebot kam nicht überraschend, aber sie lehnte es dankend ab.
    »Danke, Harry, ich komme allein zurecht.« Um Mitternacht hätte sie sein Angebot vielleicht angenommen, aber an einem sonnigen Nachmittag um halb vier?
    Sie winkte Harry zu, als er in Richtung Hauptausfahrt davonging, dann hastete sie in das Parkhaus und auf kürzestem Weg zu ihrem im Halbdunkel geparkten, schwarzen Audi TT . Als sie den kleinen Wagen erreichte, blickte sie sich erneut im Parkgeschoss um. Zu dieser Zeit, Semesteranfang, herrschte auf dem Campus Hochbetrieb. Als sie kurz vor Vorlesungsbeginn eingetroffen war, hatte sie dringend einen Parkplatz gebraucht. Dieser hier war als Einziger frei gewesen.
    Kate schaltete die Alarmanlage aus und entriegelte die Türen. Dann bin ich eben paranoid. Aber ich bin am Leben. Sie warf ihre Sachen in den Kofferraum, legte die Kostümjacke darauf, öffnete die Fahrertür und setzte sich ans Steuer. Hier zu parken hatte den Vorteil, dass der Wagen kein Brutofen war, wenn man zurückkam.
    Nach einem Blick auf ihre Uhr rief sie das Adressbuch ihres Handys auf und wählte eine Nummer. Das Mobiltelefon klingelte endlos lange. Sie versuchte es stirnrunzelnd nochmals. Diesmal hinterließ sie eine kurze Nachricht. Als ihr die Telefonnotiz einfiel, die Julian ihr zuvor gegeben hatte, tippte sie diese Nummer ein. Auch damit hatte sie kein Glück. Sie ließ das Handy seufzend ins Kleingeldfach fallen, drehte den Zündschlüssel nach rechts und schaltete die Klimaanlage an. Als sie mit dem Audi das Parkhaus verließ, um zum Haupttor des Campus zu fahren, begutachtete sie das große Klinkergebäude gegenüber. Eine nach König Eduard VI. benannte Highschool für Mädchen. Dort drüben hatte sie vorhin angerufen. Sie trommelte kurz mit den Fingern aufs Lenkrad, dann überquerte sie die Straße und folgte der geschwungenen Einfahrt zu dem weit offenen, zweiflügligen Portal des Schulgebäudes, wobei sie die Schülerinnen begutachtete, die einzeln oder in kleinen Gruppen an ihr vorbeischlenderten.
    Kate hielt an und spähte durch das Portal – darüber das Schulmotto »Die Wahrheit soll euch erlösen« – in die holzgetäfelte Eingangshalle mit dem kühlen Marmorboden. Verlassen. Alle längst fort. Nach einem weiteren Blick auf ihre Uhr fuhr sie zur Straße zurück und ordnete sich wieder in den Nachmittagsverkehr ein.

3
    Mutter und Tochter trugen die Machtprobe in der großen quadratischen Küche aus, in der es allmählich kühler wurde, seit die deckenhohen Terrassentüren zu dem weitläufigen Garten hin geöffnet waren. Kate, die eine dunkelgrüne Militärhose und ein kohlegraues T-Shirt von agnès b. trug, packte ihre Einkäufe aus und lief auf dem hellen Fliesenboden hin und her, um Packungen, Dosen und Gläser in verschiedene Kirschbaumschränke zu verteilen, während sie redete.
    »Wir haben vereinbart, dass du mich vormittags oder nach der Mittagspause anrufst, damit ich weiß, wann ich dich abholen kann. Du hast nicht angerufen«, stellte sie gereizt fest und schloss eine der Schranktüren energisch, um das Gesagte zu unterstreichen.
    Seit ihrem zehnten Geburtstag hatte Maisie ihrer Mutter ständig zugesetzt, ein Handy haben zu dürfen, aber Kate hatte diesem Druck ungefähr eineinhalb Jahre lang widerstanden. Seit damals erwartete sie, Maisie werde verlangen, sich bei Facebook anmelden zu dürfen. Überraschenderweise war dieser Wunsch bisher nicht geäußert worden. Sollte er eines Tages kommen, wollte Kate darauf bestehen, dass es kein

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