Kalter Süden
und lest ihnen eine Geschichte vor. Versucht sie zum Einschlafen zu bringen.«
Amira war die Erste, die sich bewegte. Sie stellte ihren Neffen auf den Fußboden, kam aus dem Sessel hoch, nahm Suzette bei der Hand und half ihr auf. Dann ging sie zu ihrer Schwester und nahm ihr den kleineren Jungen ab. Abbas sicherte das Gewehr, hängte es sich über die Schulter, bückte sich, riss Filip die Waffe aus der toten Hand und verließ den Raum.
Nun kam Bewegung in Nina.
Sie trat neben den Kopf der Leiche und beugte sich hinunter.
»Wir werden es nicht schaffen, ihn zu tragen«, sagte sie auf Englisch, ohne aufzublicken. »Wir müssen ihn ziehen. Haben wir hier irgendetwas, was wir ihm um den Kopf wickeln können? Sonst müssen wir alle anderen Teppiche im Haus auch noch saubermachen.«
»Amira«, sagte Fatima zu dem Mädchen, das mit dem Kind auf dem Arm rasch die Treppe hinunterging.
Dann sagte Fatima etwas auf Arabisch zu den Dienstmädchen, und sie gingen zusammen mit Suzette hinaus.
Annika brachte es nicht über sich, die Leiche anzusehen, und wandte sich ab.
Amira kam mit einem verschnürbaren Müllbeutel zurück. Sie reichte ihn Nina, die ihn rasch über den Kopf der Leiche stülpte, die Schnur am Hals zusammenzog und einen Doppelknoten band.
»Zuerst drehen wir ihn um«, sagte die Polizistin zu Annika. »Dann fassen Sie ihn an den Beinen.«
Annika tat, was ihr gesagt wurde, innerlich leer und zugleich hellwach. Trotz des Dämmerlichts waren die Konturen der Möbel messerscharf, die Farben leuchtend klar. Er hätte sie erschossen. Oder nicht?
Der Körper war wirklich unerhört schwer. Sie schafften es nicht, ihn ganz anzuheben, sondern zogen und schleiften ihn über die dicken Teppiche bis zur Treppe.
Im selben Moment kam der Strom zurück, und die Eingangshalle wurde wieder von schmiedeeisernen Kronleuchtern und Wandlampen erhellt.
Nina legte seine Beine auf die Treppenstufen.
»Sie gehen voran und ziehen«, befahl sie. »Ich halte den Kopf und passe auf, dass die Plastiktüte nicht runterrutscht.«
Annika zog an Füßen und Hosenbeinen. Der Körper glitt ziemlich leicht abwärts, zweimal musste sie ihn am Bauch festhalten, um das Tempo zu bremsen.
Der Hof wurde von großen Scheinwerfern erhellt. Als Nina und Annika aus dem Haus kamen, ließen sie den Kopf auf die Erde fallen und zogen die Leiche an jeweils einem Bein hinter sich her. Die Plastiktüte zerriss, und Blut und Gehirnmasse liefen heraus.
Die beiden schwarzgekleideten Männer, die das Tor zusammen mit Filip Andersson aufgesprengt hatten, lagen noch an derselben Stelle, von mehreren Schüssen in die Brust getroffen. Ahmed war schon weggeholt worden, Annika sah nur noch den dunklen Fleck, wo sein Kopf gelegen hatte. Er zeichnete sich deutlich auf dem hellen Kies ab.
Ich dachte, es hat in Strömen gegossen.
»Ihr könnt ihn gleich auf den Hänger legen«, sagte Abbas.
Er zeigte auf einen Traktor mit Ladeschaufel vorn und Baggerschaufel am Heck. Hinter der Baggerschaufel war ein kleiner, flacher Hänger angekuppelt worden.
»Das schaffen wir nicht allein«, wandte Nina ein.
Zu dritt bekamen sie den schweren Körper auf den Anhänger.
Ohne ein weiteres Wort gingen sie zurück zu den schwarzgekleideten Leichen. Abbas packte sie unter den Armen, Nina und Annika ergriffen jeweils ein Bein.
»Wo ist Zine?«, fragte Annika, nachdem sie beide Männer auf Filip Anderssons Leiche abgeladen hatten.
»Er lebt, aber er hat viel Blut verloren. Der Einzige hier, der seine Blutgruppe hat, ist Ahmed, aber der ist tot.«
Fatima kam in ihrem schwarzen Kleid auf den Hof heraus.
Abbas kletterte auf den Traktor, startete den Motor und fuhr hinaus auf die Felder. Fatima stellte sich neben sie und sah zu, wie das Fahrzeug über den Hügelkamm verschwand.
»Man wird sie niemals finden«, sagte Annika. »Genau wie Torsten. Oder?«
Fatima schloss die Augen, antwortete jedoch nicht.
»Was hatte Torsten getan?«, fragte Annika.
»Fragen Sie lieber, was er nicht getan hat. Er hatte den Tod verdient.«
»Wer hat ihn getötet?«
»David.«
Fatima drehte sich um und ging zurück zum Haus.
Annika hörte, wie das Geräusch des Traktors immer leiser wurde und schließlich verschwand.
Im selben Moment wurde die Beleuchtung des Hofes ausgeschaltet.
Sie ging ins Haus, hinauf in den ersten Stock, um die blutigen Teppiche wegzutragen.
Die Felder rauschten im Wind. Annika setzte sich auf die Treppenstufen vorm Haus und blinzelte, um die Augen an die sanfte
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