Kalter Süden
Sachen auf eines der Betten, ging zurück in ihr altes Zimmer und zog die Tür auf.
Der Fußboden war überschwemmt. Die Balkontüren schlugen langsam im Wind. Die Matratze war verrutscht, als sie das Laken herausgezerrt hatte, aber die Tasche lag noch am Fußende des Bettes. Sie watete durch die Pfütze und nahm die Tasche an sich. Darunter lag das weiße Buch mit der schwarzen Schrift auf dem Umschlag.
Ein Platz an der Sonne , von Siv Hoffman.
Sie griff nach dem Buch, legte es in ihre Tasche und ging zurück zum Schlafzimmer.
Sie ließ die Tür wieder angelehnt, setzte sich aufs Bett und überprüfte ihr Handy. Es musste die ganze Zeit eingeschaltet gewesen sein, denn der Akku war fast leer, und sie hatte drei Anrufe verpasst: von Thomas, Anders Schyman und noch einmal Thomas.
Auf ihrer Mailbox fand sie zwei neue Nachrichten. Die erste stammte von ihrem Chefredakteur und war ganz knapp.
»Ich vermute, dass Sie diese Artikel nicht aus dem Krankenbett verschickt haben. Rufen Sie mich an.«
Die andere war von Thomas. Sie war lang und stockend.
»Hallo Annika, ich bin’s … Ja, ich weiß, ich habe gesagt, dass ich anrufe, nach unserem … du weißt schon … Aber ich habe viel nachgedacht, Annika, ich bin wirklich in mich gegangen, und ich frage mich … Du, ruf mich doch bitte an. So schnell wie möglich. Sobald du das hier hörst. Ruf mich auf dem Handy an, ja? Okay. Tschüs …«
Sie drückte das Telefon an die Brust.
Wie merkwürdig er geklungen hatte. Es war doch hoffentlich nichts mit den Kindern? Dann hätte er doch wohl was gesagt?
Sie saß ganz still und horchte, die Dusche nebenan rauschte. Rasch zog sie die Tür zu, dann setzte sie sich wieder aufs Bett, atmete ein paarmal durch und drückte »anrufen«.
»Ich habe deine Nachricht abgehört«, sagte sie leise, als er sich meldete.
»Ach, hallo, gut, dass du anrufst«, erwiderte er und klang sehr förmlich. »Wartest du mal kurz?«
»Sicher«, sagte Annika.
Im Badezimmer hörte es auf zu plätschern. Am anderen Ende der Leitung raschelte und schepperte es. Eine Tür wurde geschlossen, und plötzlich hallte es, als wäre Thomas ins Treppenhaus gegangen.
»Hallo? Annika?«
»Ja, ich bin noch dran.«
»Du, es passt im Moment ein bisschen schlecht, aber ich habe sehr viel nachgedacht, und ich möchte wirklich gern mit dir reden. Können wir uns nicht treffen?«
Sie räusperte sich und hörte, wie auf der anderen Seite der Wand die Toilettenspülung ging.
»Ich bin nicht in Stockholm«, erklärte sie. »Worüber willst du mit mir reden?«
»Ich glaube, es war ein großer Fehler«, sagte er.
Annika schloss die Augen.
»Was? Was war ein Fehler?«
»Die Scheidung«, antwortete er leise.
Sie riss Augen und Mund auf und fand keine Worte.
»Annika?«
Ninakam ins Zimmer, ein Handtuch um den Kopf, ein zweites um den Körper gewickelt.
»Das heiße Wasser geht zu Ende«, sagte sie.
»Wo bist du?«, fragte er.
»Ich bin dienstlich unterwegs«, antwortete Annika. »Deine Nachricht hat sich so dringend angehört, dass ich gleich zurückrufen wollte. Kann ich mich bei dir melden, wenn ich wieder in Stockholm bin?«
»Natürlich.«
Es wurde stumm in der Leitung. Nina öffnete ihren Turban und schüttelte die nassen Haare aus. Sie legte das feuchte Handtuch auf den Sessel und blieb mitten im Zimmer stehen.
»Nur eins noch«, sagte Annika. »Stehst du in der Grev Turegatan im Treppenhaus?«
»Äh … ja, wieso?«
Sie rieb sich die Lider mit den Fingerspitzen.
Er sitzt also zu Hause und kuschelt mit seiner neuen Freundin, und wenn seine Exfrau anruft, schleicht er sich ins Treppenhaus und behauptet, dass er die Scheidung bereut.
»Ach, nichts«, sagte sie. »Ich melde mich.«
Sie legten auf.
»Es hat nichts geholfen«, sagte Nina. »Ich fühle mich noch genauso schmutzig wie vorher.«
Sie wirkte so beherrscht wie immer, genauso gefestigt und konzentriert.
Annika schaltete ihr Handy aus, denn sie hatte kein Ladegerät dabei und musste den Akku schonen. Dann streckte sie sich nach ihrer Tasche und holte das weiße Buch heraus.
»Suzette hat das hier in der Bibliothek gefunden«, sagte sie.
Sie ging zu Ninas Bett und legte es ihr hin.
»Ein Platz an der Sonne« , las Nina und griff danach. »Was ist das?«
»Lies es, besonders das Kapitel ›Der Tod am Strand‹. Und sag mir nachher, ob du glaubst, dass es wahr sein könnte, was da steht. Ich gehe duschen.«
Nina schlug das Buch auf und begann zu blättern.
Annika ging auf den
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