Jerry Cotton - 2908 - Die Fackel der Vergeltung
Der Morgen hatte für Phil und mich ganz normal angefangen. Ich hatte ihn am üblichen Treffpunkt in der Nähe seiner Wohnung abgeholt und dann waren wir zum FBI Field Office an der Federal Plaza gefahren. Dort angekommen hatten wir uns auf direktem Weg zu Mr Highs Büro begeben, wo Helen uns freundlich begrüßte.
»Kaffee?«, fragte sie nett, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte.
Phil lächelte. »Natürlich.«
Sie schenkte uns ein. »Dann wird die Wartezeit nicht so lang.«
Unser Chef war – wie uns Helen bereits mitgeteilt hatte – schon im Gebäude, hatte aber noch etwas zu erledigen.
»Hat Mister High schon irgendwas von einem neuen Fall verlauten lassen?«, fragte Phil interessiert.
Helen schüttelte den Kopf. »Nicht mir gegenüber. Wenn nichts anliegt, werdet ihr vielleicht bei den Aktivitäten rund um die Fire Prevention Week eingeteilt. Da gab es ein paar Anfragen.«
»Wäre für uns fast wie Urlaub«, meinte Phil.
Ich grinste. »Ja, sicher. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass das eine ruhige Woche werden wird.«
Phil schaute mich an. »Ganz ehrlich, ich auch nicht. Aber warten wir ab, was der Chef dazu sagt.«
Kaum hatte er das ausgesprochen, kam Mr High um die Ecke. Er begrüßte uns und bat uns freundlich in sein Büro.
»Eigentlich sah es heute nach einem ruhigen Tag aus«, meinte Mr High, nachdem wir Platz genommen hatten. »Aber dann habe ich einen Anruf vom New York Fire Department erhalten. Es sieht so aus, als würde der Feuerteufel von Boston jetzt in New York sein Unwesen treiben – zumindest meint das der Brandspezialist, der einen Brand untersucht hat, der heute Morgen in einem Bürogebäude in der Bronx ausgebrochen ist. Gestern gab es schon einen Brand nach dem gleichen Muster.«
»Der Feuerteufel von Boston ?«, fragte Phil. »Kommt mir bekannt vor. Gab es da letztes Jahr nicht ein Memo?«
Mr High nickte. »Genau. Der Täter hat bisher in zwei Städten zugeschlagen. Zuerst in Boston – daher sein Name. Dann in Washington. Und wenn der Brandinspektor vom FDNY recht hat, dann hat er jetzt New York als Betätigungsfeld gewählt. In den beiden anderen Städten hat er an jedem Tag der Fire Prevention Week ein Feuer gelegt – die Schäden gingen in die Millionen. Zum Glück gab es dabei keine Opfer zu beklagen – bis gestern.«
Mr Highs Gesicht verfinsterte sich. »Gestern hat es einen Nachtwächter erwischt. Die genauen Umstände seines Todes habe ich noch nicht erfahren. Aber das bedeutet, dass wir es jetzt nicht nur mit einem Brandstifter, sondern auch mit einem Mörder zu tun haben.«
»Wir kümmern uns um die Angelegenheit«, sagte ich ernst.
Mr High gab uns noch ein paar Informationen, dann verließen wir sein Büro.
»Ziemlich pervers – in der Fire Prevention Week Feuer zu legen. Der Typ hat bestimmt einen gehörigen Dachschaden«, meinte Phil auf dem Weg zum Wagen.
»Möglicherweise hatte er ein traumatisches Erlebnis, das mit Feuer zu tun hatte«, überlegte ich laut.
»Oder er liebt es einfach, wenn das Feuer seine zerstörerische Arbeit verrichtet«, sagte Phil. »Aber so oder so – wenn jemand in New York Gebäude anzündet und dann dabei auch noch jemanden tötet, werden wir ihm das Handwerk legen.«
Ich nickte. »Natürlich. Schauen wir uns erst einmal am letzten Tatort um. Mister High meinte, der Brandinspektor wäre noch vor Ort.«
Wir erreichten die Tiefgarage und stiegen in den Jaguar. Unser Ziel war ein Gewerbegebiet in der nördlichen Bronx.
Während der Fahrt stellte Phil Recherchen an. »Über den Feuerteufel von Boston ist im Internet eine Menge zu finden. Sogar Videos der abgebrannten Häuser auf YouTube . Die sehen teilweise ziemlich übel zugerichtet aus.«
Ich zuckte mit den Schultern.
Phil fuhr fort. »Das Hauptmerkmal des Täters ist, dass er immer in den sieben Tagen der Fire Prevention Week im Oktober zugeschlagen hat. Vielleicht will der Feuerteufel von Boston die Leute auf irgendeine verschrobene Weise nur warnen – wäre auch eine Möglichkeit.«
Ich nickte. »Ja, möglich schon – wenn auch ziemlich verrückt. Vielleicht ist er auch nur ein Pyromane, was ebenfalls nicht für seinen Geisteszustand sprechen würde. Bin gespannt, was für eine Theorie der Brandspezialist von FDNY anzubieten hat.«
***
Der Verkehr war erfreulicherweise nicht sehr dicht, sodass wir unser Ziel ohne Probleme erreichten. Dort angekommen, sahen wir das fünfstöckige Bürohaus, dessen Fassade eindeutige Spuren eines Brandes aufwies.
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