Kaltes Blut
schmutzigen Gedanken, und dann treibt ihr’s überall«, sagte Katrin dreckig grinsend. »Achtung, er kommt. Übrigens, ich würde auch nicht nein sagen, wenn er mich fragen würde, ob …«
»Ob was?« Selina tat ahnungslos.
»Später. Hi, Achim«, begrüßte sie ihn mit dem strahlendsten Lächeln. Sie lehnte sich mit dem Rücken an das Gatter, um so ihre Oberweite noch besser zur Geltung zu bringen, und reichte ihm die Hand. »Auch mal wieder hier? Wie geht’s denn so?«
»Dasselbe wollte ich euch fragen. Mir geht’s blendend. Irgendwie ist mir zu Ohren gekommen, dass der Frankreich-Trip euch allen sehr gut getan hat«, sagte er und sah von einem Mädchen zum andern. Im Gegensatz zu Werner Malkow gab er jedoch keiner das Gefühl, dass er gerne etwas mit ihr angefangen hätte. Er war nett, unaufdringlich und vielleicht gerade deswegen für die Mädchen ein zumindest in Gedanken begehrenswertes Objekt der Begierde, wenn auch unerreichbar, denn er war seit über zwölf Jahren glücklich mit Sonja Kaufmann verheiratet, sie hatten einen sechsjährigen Sohn, und überhaupt waren die Kaufmanns von allen Erwachsenen auf dem Hof die beliebtesten, dicht gefolgt von Emily Gerber und ihrem Mann. Zu Helena Malkow jedoch hatte keines von den Mädchen einen besonderen Draht. Sie war zwar eine hervorragende Voltigiertrainerin, aber sie hatte auch eine recht burschikose Art und ein übersteigert dominantes Auftreten. Über Sonja Kaufmann wurde hinter vorgehaltener Hand sogar getuschelt, sie sei so etwas wie eine Pferdeflüsterin, denn mittlerweile hatte es sich nicht nur in Deutschland herumgesprochen, wie gut sie mit den Tieren umgehen konnte und selbst scheinbar hoffnungslose Fälle erfolgreich behandelte. Manche brachten ihre Pferde über viele hundert Kilometer zu ihr, um sie kurieren zu lassen, und sie zahlten nicht selten freiwillig tausend Euro und mehr für eine Behandlung, die sich aber in den meisten Fällen letztlich lohnte. Sie war ein Naturtalent, es schien, als könnte sie mit den Pferden direktkommunizieren, als gäbe es eine Sprache, die sowohl Mensch als auch Tier gleichermaßen verstanden, und wenn man sie bei ihrer Arbeit beobachtete, was sie jedoch nicht sonderlich mochte, dann wurde jedem schnell klar, dass sie eine Verständigungsebene gefunden hatte, die nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten war.
Achim Kaufmann arbeitete als Klimaforscher. Er hatte angeblich sogar schon zwei wissenschaftliche Werke über so einen Wetterkram, wie die Mädchen es nannten, veröffentlicht. Er kam mindestens zweimal in der Woche auf den Hof, wenn auch nicht so oft wie Werner Malkow oder Andreas Gerber, die fast jeden Tag für wenigstens ein paar Minuten vorbeischauten. Kaufmann war sechsunddreißig, sah aber immer noch wie ein Student aus. Wann immer man ihm begegnete, war er leger gekleidet, und so auch heute. Er trug ein dunkelblaues Hemd, dessen beide obersten Knöpfe offen standen, eine khakifarbene Hose und ein Paar braune Slipper, um den Hals hatte er eine dünne Goldkette, am linken Handgelenk eine viereckige Designeruhr.
»Warum bist du eigentlich nicht mitgekommen?«, fragte Katrin mit naiv-laszivem Augenaufschlag, eine Waffe, die sie trotz ihrer jungen Jahre bereits sehr gezielt einzusetzen wusste, was sie aber nur machte, wenn ihr Vater nicht in Reichweite war, der dem Hof schon einige finanzielle Zuwendungen hatte zukommen lassen, aber ansonsten zu Hause mit harter Hand regierte.
»Die Zeit«, erwiderte Achim Kaufmann mit jungenhaftem Lachen. »Ich konnte mir leider nicht freinehmen. Und außerdem, was hätte ich als einziger Mann da schon zu suchen gehabt?«
»Oh, da wäre uns schon was eingefallen, nicht wahr?«, sagte Katrin frech und sah Selina und Miriam an, die beide vor Scham am liebsten im Erdboden versunken wären.
»Katrin, Katrin.« Er schüttelte den Kopf, ein mahnender Unterton in der Stimme, doch seine Augen blitzten schelmisch auf. »Lass das mal nicht meine Frau hören. Sie würde sonst noch auf dumme Gedanken kommen.«
»Katrin hat doch nur Spaß gemacht«, mischte sich jetzt Selina ein. »Stimmt doch, Katrin?«
»Weiß ich ja«, sagte Achim Kaufmann mit vergebendem Lächeln, »aber ich geh jetzt besser wieder rüber zu den andern, wir sehen uns vielleicht nachher noch im Restaurant. Bis dann.«
»Wenn ich mir jemals einen Mann wünschen dürfte, dann müsste er wie Achim sein und auch so aussehen«, sagte Katrin, nachdem er weit genug weg war. »Aber leider kann man den nicht
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