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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Der Erdrutsch würde ihren Schreibtisch samt Stuhl mit sich reißen und an der Wand ihres Büros zermalmen. Es würde Tage dauern, bis die Suchtrupps ihre Leiche entdeckten, und dann wäre sie bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert, sämtliche Knochen genauso platt wie jetzt schon ihr Hirn, auf dem der ganze Papierkram wie Blei lastete.
    Die Papierstapel erinnerten sie an etwas. Sie wandte den Kopf, schaute aus dem Fenster und kniff die Augen zusammen, um durch die Streifen auf der beschlagenen Fensterscheibe zu blicken. Genau. Schnee, der sich draußen so hoch und weiß wie der Papierkram auf ihrem Schreibtisch türmte. Sie konnte nicht sagen, was schlimmer war.
    Plötzlich spürte sie einen warmen Hauch. Er kam von dem lautstarken Heizlüfter, den sie am Morgen aus der Spurensicherung hatte mitgehen lassen, bevor die Kollegen zur Arbeit erschienen waren. Vielleicht war ja der Papierkram doch einen Deut angenehmer als der Schnee. Zumindest durfte sie im Warmen sitzen. Nur Masochisten und Wahnsinnige spazierten an so einem Morgen freiwillig durch Edendale. Zum Beispiel Ben Cooper. Sie zweifelte nicht daran, dass Cooper sogar jetzt auf seinem Ein-Mann-Kreuzzug gegen das Verbrechen draußen herumlief und tapfer den Eiszapfen trotzte, die an seinen Ohren hingen.
    Die Kollegen von der Spurensicherung würden das Gebäude schon bald nach dem verschwundenen Heizlüfter durchkämmen. Früher oder später musste Diane sich wieder von ihm trennen, es sei denn, sie versteckte ihn, wenn sie das Suchkommando kommen hörte. Die Kriminaltechniker erkannte man schon von weitem an ihrem Knurren. Aber der Lüfter war die einzige Wärmequelle im ganzen Raum. Fry legte eine Hand auf den Heizkörper an der Wand, der höchstens lauwarm war. Er fühlte sich an wie eine Leiche, die noch nicht ganz kalt war, aber bereits in die Leichenstarre überging. Für diese Erkenntnis brauchte man nicht erst einen Gerichtsmediziner zu konsultieren. Das Ding war seit mindestens zwei Stunden tot.
    Fry reckte witternd die Nase in die Luft. Eine Duftwolke, die nach Würstchen mit Tomatensoße roch, schwebte ins Zimmer und senkte sich auf den Einbruchsbericht, der aufgeschlagen vor ihr lag. Gerüche wie dieser waren daran schuld, dass die Wände dieses eigentümliche Grün annahmen und die Fliegen tot auf die Innenseite der Verkleidungen der Leuchtstoffröhren fielen, wo sie schon seit Monaten vor sich hinbrutzelten.
    »Gavin«, sagte sie.
    »Hmm?«
    »Wo bist du?«
    »Mmm-mmpf-mm.«
    »Ich weiß, dass du hier irgendwo bist. Ich kann dich riechen.«
    Über einem Schreibtisch tauchte ein Kopf auf. Rotblondes Haar, ein rosiges Gesicht und Tomatensoße auf der Oberlippe. Detective Constable Gavin Murfin war Diane Frys derzeitiger Fluch – nicht so launisch wie Ben Cooper, dafür war bei ihm die Gefahr umso größer, dass er Currysoße auf den Boden ihres Wagens kleckerte. Außerdem war er übergewichtig. Als Mann in den Vierzigern sollte er dringend darüber nachdenken, was er seinem Herzen antat.
    »Ich dachte, ich mach eine kleine Frühstückspause«, mampfte er.
    »Würdest du das bitte in der Kantine erledigen?«
    »Geht nicht.«
    Fry seufzte. »Ach ja, das habe ich ganz vergessen.«
    »Wir haben keine mehr. Wir müssen uns selber behelfen. Steht jedenfalls auf allen schwarzen Brettern. Jetzt arbeite ich schon zweiundzwanzig Jahre hier, und plötzlich nehmen sie uns die Kantine weg.«
    »Wo hast du bloß dieses widerliche Würstchen im Brotteig her?«
    »Vom Bäcker auf der West Street«, antwortete Murfin. »Hättest du was gesagt, dann hätte ich dir was mitgebracht.«
    »Nein danke! Ist dir klar, wie viel Cholesterin in diesem Ding steckt? Genug, um deine Arterien so zu verstopfen, dass du innerhalb von fünf Minuten tot umfällst.«
    »Ach was! Bei meinem Glück …«
    Der Geruch von gebratenem Fleisch stellte merkwürdige Dinge mit Diane Frys Magen an. Er zog sich zusammen und zuckte vor Abscheu, als wäre Nahrung etwas völlig Undenkbares und Widerliches.
    »In der Wurst ist auch noch Knoblauch«, stellte sie fest.
    »Stimmt. Aber den muss man extra bestellen.«
    Detective Inspector Paul Hitchens öffnete die Tür. Er schien etwas zu Fry sagen zu wollen, besann sich jedoch offenbar eines Besseren, machte einen Schritt ins Zimmer und blickte sich um.
    »Tomatensoße? Knoblauchwurst?«, fragte er schnüffelnd.
    »Mmm«, antwortete Murfin und wischte sich den Mund mit einem Blatt von einem Notizblock ab. »Frühstück, Sir.«
    »Passen Sie ja auf, dass

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