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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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zur Unkenntlichkeit besudelt.
    »Ich habe übrigens sehr empfindliche Atemwege«, sagte Kemp. »Sehr anfällig für Kälte und Feuchtigkeit, ehrlich. Wenn ich zu lange in dieser Witterung im Freien stehen muss, kann es gut sein, dass ich einen Arzt brauche.«
    »Wenn Sie nicht bald den Mund halten, werde ich echt sauer.«
    »Hoppla! Was wollen Sie denn machen? Mir einen Schneeball in den Kragen stopfen?«
    Ein blinkendes Blaulicht erleuchtete die Fassade des Rathauses am Marktplatz unmittelbar hinter der Kreuzung High Street. Cooper und Kemp schauten zu dem Licht hinüber. Es war ein Krankenwagen, dessen Fahrer sich bemühte, zwischen den kriechenden Autoschlangen voranzukommen.
    »Das war schlau«, sagte Kemp. »Erst den Krankenwagen bestellen, bevor Sie mich verprügeln.«
    »Halten Sie die Klappe«, schnappte Cooper.
    »Wenn Sie mir kurz die Handschellen abnehmen, kann ich auf dem Handy meine Alte anrufen. Dann holt sie den Schlitten raus und spannt die Hunde an. Es sind zwar nur Corgis, aber damit wären wir bestimmt wesentlich schneller.«
    Hinter ihnen lachte jemand. Cooper warf einen Blick über die Schulter. Vor dem Café lehnten drei Männer an der Schaufensterscheibe, die Hände in den Taschen ihrer Anoraks und Militärjacken vergraben. Sie trugen schwere Stiefel, einer sogar welche mit Stahlkappen, wie die Sicherheitsstiefel, die Bauarbeiter anhatten, für den Fall, dass ihnen ein Ziegelstein oder ein Teil des Gerüsts auf die Zehen fiel. Drei Augenpaare erwiderten Coopers Blick herausfordernd. Vier Verdächtige, alle männlich, weiß, zwischen fünfundzwanzig und fünfundvierzig. Die Verdächtigen führen möglicherweise Baseball-Schläger oder ähnliche Waffen mit sich. Größte Vorsicht bei der Annäherung.
    Endlich meldete sich Coopers Funkgerät.
    »Tut mir Leid, DC Cooper«, sagte die Stimme aus der Zentrale. »Die angeforderte Einheit wurde durch einen Stau in der Hulley Road aufgehalten. Die Kollegen sind so schnell wie möglich bei Ihnen, aber es kann noch fünf Minuten dauern, meinen sie.«
    Einer der Männer an der Scheibe fing an, zwischen seinen behandschuhten Fäusten einen Schneeball zu formen und ihn mit kurzen Handkantenschlägen in eine Handgranate zu verwandeln.
    »Verdammt«, sagte Cooper.
    Kemp wandte den Kopf und grinste. »Finden Sie nicht, wir sollten wieder reingehen und noch einen Tee trinken?«, fragte er. »Ich glaube, es fängt auch wieder an zu schneien. Hier draußen frieren wir uns noch den Arsch ab.«
    Bis zum Morgen war Marie Tennents Körper in seiner Fötusstellung erstarrt und wie ein Tiefkühlhuhn im Supermarkt mit Frost überzogen. In ihren Herzklappen und Blutgefäßen hatten sich Eiskristalle gebildet, ihre Finger, Zehen und die ungeschützten Stellen ihres Gesichts waren durch die Erfrierungen weiß und brüchig geworden.
    In der Nacht hatte sich nichts an Maries Körper herangewagt – nicht einmal der Schneehase, der über ihre Beine gehoppelt war und sich auf ihrer Schulter niedergelassen hatte, um sich das Fell zu kratzen. Der zerzauste braune Hase hatte sein tarnendes Winterfell noch nicht angelegt. Er köttelte auf Maries Hals und ließ etliche Fellbüschel, abgestorbene Hautzellen und sterbende Flöhe für den Gerichtsmediziner zurück. Danach lag Marie eine ganze Weile einfach nur da und wartete, so wie sie ihr ganzes Leben lang gewartet hatte.
    Am späten Vormittag wäre sie beinahe von einem Peak Park Ranger gefunden worden, aber er kehrte kurz vor dem Gipfel um, weil er sah, dass die blaugrauen Wolken, die über das Bleaklow-Moor zogen, noch mehr Schnee mitbrachten. Er kehrte in den Schutz der Rangerstation im Tal zurück, ohne die kleinere Spur zu bemerken, die einige Meter weiter bergaufwärts plötzlich endete.
    Der Neuschnee hatte Maries Leichnam rasch bedeckt und seinen Umriss sanft geglättet. Am späten Nachmittag war sie nur noch eine kleinere Erhebung inmitten der unendlichen weißen Weite, die sich oberhalb des Eden Valley über das Hochmoor erstreckte.
    In der Nacht fiel die Temperatur auf den ungeschützten Schneeflächen auf minus sechzehn Grad. Jetzt war es Marie nicht mehr eilig damit, rasch gefunden zu werden. Sie würde hier noch eine Weile ausharren.

2
    D etective  Sergeant Diane Fry wusste, dass sie eines Tages unter einer Lawine sterben würde – einer Lawine sinnloser Büroarbeit. Es wäre ein tragischer Unfall, das Resultat einer instabilen Aktenablage, die unter dem Gewicht der hoch aufgetürmten Zeugenaussagen zusammenbrach.

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