Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
etwas, das man mit vollen Händen ausgeben kann, um damit ein nicht enden wollendes Wirtschaftswachstum anzukurbeln, und das trotzdem nie ausgehen wird. Diese zwei Formen von Wahnsinn hängen eindeutig zusammen.
Eine Münze ist in Wirklichkeit nur ein Versprechen. Das Einzige, was der uneingeschränkten Ausweitung der Geldmenge Grenzen setzt, ist die Frage, wie viele Versprechen wir einander geben wollen und um welche Art von Versprechen es sich dabei handelt. Im Rahmen der derzeit geltenden Regelungen gibt es natürlich noch alle möglichen anderen künstlichen Beschränkungen: beispielsweise die Fragen, wer rechtlich gesehen befugt ist, solche Versprechen zu geben (Banken), beziehungsweise wer bestimmen darf, welche Art von Versprechen jeweils wie viel Gewicht haben. (Theoretisch wird diese Frage durch den »Markt« geregelt. In der Praxis erfolgt dies durch zunehmend bürokratisierte finanzwirtschaftliche Bewertungssysteme.) Diese Art von Regelungen ermöglicht es uns, so zu tun, als hätte Geld eine physische Substanz und als wären Schulden nicht einfach bloß Versprechen. Denn das würde ja heißen, dass das Versprechen einer Regierung, Investoren einen bestimmten Zinssatz zu bezahlen, nicht mehr moralisches Gewicht hätte als beispielsweise ihr Versprechen, dass Arbeiter ab einem gewissen Alter in den Ruhestand gehen dürfen, oder ihre Zusicherung, den Planeten nicht zu zerstören. Innerhalb dieser Strukturen werden Schulden jedoch nicht als simple Versprechen wahrgenommen, sondern als eine Art unerbittliches moralisches Absolutum. Dennoch ist es genau diese Tyrannei der Schulden – auf allen Ebenen –, die zum moralischen Gebot wird und dadurch erzwingt, dass Öl aus der Erde gepresst wird. Oder uns einredet, dass die einzige Lösung jeder moralischen Krise nur darin bestehen kann, einen weiteren Bereich des freien menschlichen Lebens in Arbeit umzuwandeln.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
Revolutions in Reverse: Essays on Politics, Violence, Art, and Imagination
bei Minor Compositions, einem Imprint von Autonomedia, Brooklyn,
New York.
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Erste Auflage
April 2012
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Satz: Ditta Ahmadi, Berlin
eISBN 978-3-641-08271-0
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