Kampf der Gefuehle
sich in seine Ausgangsposition zurückbegab, kochte plötzlich Wut in ihr hoch. Sie schnellte ebenfalls hoch, ihre imaginäre Waffe fest umklammernd. Durch ihren Ärmel behindert, vermochte sie nur ein tiefliegendes Ziel zu erreichen, so dass ihre geballte Faust seine Lendengegend streifte.
Wie erstarrt standen sie einander gegenüber. Gleich darauf zuckte es um seine Lippen, während in seinen
Augen unbändige Heiterkeit auffunkelte. Dann wandte er sich ab und brach in Gelächter aus.
Ariadne fühlte sich so gedemütigt, dass sie sich eine Zeit lang nicht zu rühren vermochte. Dann kehrte sie ihm den Rücken zu und schlug die Hände vor die glühenden Wangen.
Sie wusste, oh, sie wusste in der Tat, was sich hinter dem glatten Stoff seiner Hosen verbarg, an der Stelle, an der ihre Knöchel ihn gestreift hatten, wusste, was diese stählerne Härte, die sie berührt hatte, zu bedeuten hatte. Dass sie die Tollkühnheit besessen oder das Pech gehabt hatte, genau dort zu landen, war eine Sache. Dass er sie deshalb auslachte, stand jedoch auf einem ganz anderen Blatt. Sie konnte überhaupt nichts Komisches daran finden.
Überdies entsetzte es sie, dass ihn irgendetwas an dem bisherigen Unterricht erregt hatte. Die männliche Leidenschaft hatte etwas Willkürliches. Zumindest hatte ihr Aufenthalt in der Pariser Gesellschaft ihr diesen Eindruck vermittelt. Aber das hier war höchst unpassend. Wie sollte sie denn weitermachen, wenn sie befürchten musste, dass er zudringlich wurde?
Gleichwohl konnte sie sich nicht verhehlen, dass in ihrem Innern gewisse, halb bewusste Empfindungen aufstiegen. Zum Teil war es Genugtuung darüber, dass ein Mann, der als so gefährlich galt, sie begehrenswert fand. Was den Rest dieser Empfindungen anging, so zog sie es vor, nicht allzu genau hinzusehen.
Leidenschaften der übersteigerten, verzweifelten Art, wie die unglücklichen Liebespaare in ihren Lieblingsopern sie erlebten, waren Ariadne fremd. Sie hatte ihren Ehemann gemocht, hatte ihn in Ehren gehalten, weil er freundlich zu ihr gewesen war und dafür gesorgt hatte, dass sie ein bequemes Leben hatte. Ihm zu gestatten, Liebe mit ihr zu machen, hatte sie als Pflicht empfunden, eine nie zu lästige Pflicht, der nichts sonderlich Aufwühlendes angehaftet hatte. Hinterher war er immer so dankbar, so liebevoll gewesen, dass sie sich fast damit zufriedengab. Doch manchmal, wenn er schnarchend neben ihr lag, hatte sie, von Unruhe und unbefriedigter Sehnsucht erfüllt, in die Dunkelheit gestarrt und bittere Tränen vergossen. In solchen Momenten hatte sie sich immer gefragt — wie sie es auch jetzt tat —, ob es mit einem anderen Mann nicht anders gewesen wäre.
Aber nicht mit diesem. Nein, nie und nimmer mit diesem.
Viertes Kapitel
Ihr Gesicht, ihr Gesicht ...
Gavin erstickte fast vor Lachen, als er versuchte, seine Belustigung zu unterdrücken. Seine sich so eisig und überlegen gebende Schülerin hätte nicht entsetzter dreinblicken können, wenn sie entdeckt hätte, dass er eine Giftschlange in der Hose hatte. Er war sicher, dass sie das vorgezogen hätte.
Gleichwohl hatte sie ihren Ausfall gut ausgeführt. Sie hatte ihn völlig überrumpelt, was seit seinen ersten Versuchen auf der Fechtbahn niemand mehr geschafft hatte. Sie war ausgezeichnet in Form gewesen, vor allem wenn man das Handicap in Betracht zog, das sich aus ihren Unterröcken, ihrem Korsett und den lächerlich eng anliegenden Ärmeln ergab, die, wie es die gegenwärtige Mode vorschrieb, eine Frau zu einem hilflosen, fragilen Wesen machten. Es war durchaus möglich, dass sie ihrem maitre Ehre machen würde.
Nicht dass das etwas war, worauf er es anlegte. Von dem Moment an, da er die garconniere betrat, hatte er vorgehabt, sie von ihrem Ziel, das Fechten zu erlernen, abzubringen. Jetzt freilich war er eher geneigt, diese Treffen fortzusetzen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal etwas so Unterhaltsames erlebt hatte. Und wenn er ehrlich sein sollte, so fragte er sich, was wohl erforderlich sein würde, um die Dame dazu zu bringen, ihn bereitwillig, ja, vielleicht sogar mit Vergnügen anzulassen.
Sein Sinneswandel war nicht zum geringen Teil auf das leidenschaftliche Aufblitzen zurückzuführen, das er in ihren Augen wahrgenommen und das seine Neugier geweckt hatte. Er hatte ganz entschieden den Eindruck, dass es ihr nichts ausgemacht hätte, ihn zu entmannen. In Anbetracht ihrer unnahbaren Haltung war das ein interessanter neuer Aspekt, den
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