Kampf der Gefuehle
man sich Gesichtsverletzungen zuzog. Diese beiden Gegenstände beschrieb er ihr lediglich, da er sie am heutigen Abend nicht mitgebracht hatte. Als er damit fertig war, lenkte er ihre Aufmerksamkeit auf die Fechtbahn aus Segeltuch und setzte ihr die strenge Etikette auseinander, die dort galt und zu der die Begrüßung des Gegners sowie andere Aspekte sportlichen Benehmens gehörten.
Ariadne lauschte jedem Wort, als hinge ihr Leben davon ab, was ja in der Tat der Fall sein mochte. Während er sprach, ruhte ihr Blick auf dem Gesicht des Fechtmeisters. Es war deutlich zu merken, dass die Einzelheiten des Berufs, den er ausübte, ihm großes Vergnügen bereiteten. Seine Gründlichkeit ließ überdies darauf schließen, warum er in diesem Beruf ein Meister war. Das immerhin vermochte sie zu respektieren.
Sie hatte indes nicht die Absicht, ihn zu respektieren, und es behagte ihr in keiner Weise, dazustehen und dem Rhythmus seiner tiefen, angenehmen englischen Stimme zu lauschen, die seinem Französisch solch einen melodischen Tonfall verlieh. Er war viel zu ansehnlich, seiner selbst und seines Könnens viel zu sicher. Die Breite seiner Schultern und seine Kopfhaltung, die superbe athletische Beherrschtheit, mit der er sich bewegte, seine Art sich anzuziehen und der exzellente Schnitt seiner Kleidung — alles an ihm wühlte sie wider Willen auf. Sie spürte den Magnetismus seiner maskulinen Persönlichkeit, der mit einem natürlichen Charisma einherging, das sie zu ihm zu ziehen schien. Die Art, wie das Kerzenlicht auf sein Gesicht fiel, es zum Leuchten brachte, Vertiefungen, Kanten und Schatten hervorhob, war viel zu faszinierend. Die gähnende Dunkelheit jenseits des Kerzenscheins, das Prasseln des Regens hinter den Fenstern — beides umschloss sie auf höchst beunruhigende Weise. Wenn sie sich nicht bald dem zuwandten, was sie hergeführt hatte, würde sie schreien.
»Monsieur Blackford«, sagte sie schließlich. »Ich habe weder den Wunsch noch die Absicht, mich zur Fechtlehrerin ausbilden zu lassen. Für die Feinheiten dieser Kunst habe ich wenig Verwendung, so faszinierend sie auch für Aficionados sein mögen. Alles, was ich benötige, ist die Fähigkeit, einen Mann mit dem Schwert in der Hand gegenüberzutreten.«
»Sowie die Fähigkeit, das Ganze zu überleben. Zumindest nehme ich das an. Oder haben Sie lediglich die Absicht, Ihre Seele teuer zu verkaufen?«
»Was auch immer ich Vorhaben mag, ich möchte bezweifeln, dass Vorträge über die Umgangsformen auf dem Duellplatz meinen Plänen förderlich sind.«
»Die Art, wie ein Mann stirbt beziehungsweise am Leben bleibt, ist doch wohl genauso wichtig wie die Tatsache als solche.«
Sie sah ihn stirnrunzelnd an, während die ruhige Eindringlichkeit seiner Stimme sie innerlich derart aufwühlte, dass ihr der Atem stockte und die Spitzen ihrer Brüste sich zusammenzogen. Solch eine idealistische Einstellung hatte sie nicht von ihm erwartet. »Zweifellos«, gab sie in schroffem Ton zurück. »Zumindest sollte es bei einem Ehrenhandel zwischen ebenbürtigen Gegnern so sein. Das Treffen, das mir vorschwebt, ist völlig anders beschaffen.«
»Eher wie eine Züchtigung - rasch, gemein und notfalls hinterhältig.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»So wie Geier von Aas angezogen werden, ergeben sich manche Dinge auf natürliche Weise.«
»Monsieur!« Sie vermochte es kaum zu glauben, dass er sie gerade mit einem Geier verglichen hatte. Das hatte er doch, oder?
»Aber Sie dürfen nicht glauben«, fuhr er mit unbewegter Miene fort, »dass ich den Beginn des Unterrichts um Ihres süßen Lächelns willen hinauszögere. Diese Präliminarien sind völlig normal, so langweilig sie auch sein mögen. Auch mir wurde seinerzeit erst nach einem langen Monat voll öder Unterweisungen gestattet, endlich ein Florett in die Hand zu nehmen.«
Sie hatte ihm weder ein süßes noch ein sonst irgendwie geartetes Lächeln geschenkt, was hieß, dass er sie aufzog. Dass er das wagte, trug in keiner Weise dazu bei, ihre Gereiztheit zu beschwichtigen. »Was Sie ertragen mussten, interessiert mich nicht, da ich mich nur auf ein einziges Treffen vorzubereiten habe und mir im Gegensatz zu Ihnen nicht ein ganzes Leben für solche Dinge zur Verfügung steht«, erwiderte sie, indem sie ihre Klinge zischend vor ihm durch die Luft fahren ließ. »Könnten wir jetzt bitte mit der eigentlichen Verwendung dieses Floretts anfangen?«
Er bewegte sich so schnell, dass sie das Ganze nur verschwommen
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