Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
Energieumbaus schadet. Das, was im Moment passiert, ist die schlechteste aller Lösungen: Jede Energiepolitik, auch die, die auf Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerke setzt, wäre besser, wenn sie ihre einmal gesteckten Ziele konsequent weiterverfolgen würde. Es kann keine gute Politik sein, den Ausstieg aus der Atomkraft erst zu beschließen (2000), dann vom Ausstieg auszusteigen (2010), nur um ein halbes Jahr später auch diese Kehrtwende wieder rückgängig zu machen. Es kann nicht gut sein, 18 Monate nach Beschluss der Energiewende den dafür verantwortlichen Minister in die Wüste zu schicken und sein Konzept still und heimlich wieder einzudampfen. Seinem Nachfolger, Peter Altmaier, gab der Bundesverband der Deutschen Industrie ( BDI ) in einer Stellungnahme kurz nach seiner Ernennung den Rat mit auf den Weg, er solle »bloß nicht den Röttgen machen«. Natürlich hat Politik mit Widerständen zu kämpfen. Aber sie sollte selbst auch noch kämpfen können, und zwar mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln der Kommunikation und der Entscheidungsgewalt. So muss es nun also heißen: Egal was man tut, man sollte entschlossen handeln.
Der Kampf um Strom ist im letzten halben Jahr härter und aggressiver geworden. Mit aller Macht versuchen die Kontrahenten, anstehende politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das geschieht einerseits hinter den Kulissen, wo Lobbyisten das übliche Strippenziehertheater veranstalten. Doch es reicht nicht aus, sich die Politik gewogen zu machen, mit welchen Mitteln auch immer. Die nächsten Wahlen stehen an, und so wird es immer notwendiger, dem Wähler als »gut für alle« zu verkaufen, was vielleicht nur gut für wenige ist. Denn bei allem Einfluss des Geldes ist die Macht des Wählers nicht zu unterschätzen. Bisweilen blitzt sie deutlich auf, zum Beispiel angesichts der Hast, mit der die schwarz-gelbe Regierung kurz nach der Atomkatastrophe in Japan die Hälfte unserer Atomkraftwerke abschaltete, nachdem sie sich jahrzehntelang für deren Erhalt eingesetzt hatte. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen soll gesagt haben, dass diese Kehrtwende so schnell entschieden werden musste, weil sie sonst vor allem von den Lobbyisten verhindert worden wäre. Auch die einberufene Ethikkommission unter der Leitung von Klaus Töpfer sprach sich nach langen Anhörungen für die Rücknahme der Laufzeitverlängerung aus, obwohl längst nicht alle Mitglieder einhellig für diese Empfehlung waren. Schon im Vorhinein war die Zusammensetzung dieser Kommmission heftig umstritten. Der Bundesumweltminister und auch die Kanzlerin hatten meine Person vorgeschlagen, doch die FDP sträubte sich dagegen. Ein deutlicheres Beispiel für die politische Einflussnahme auf ein angeblich neutrales Gremium gibt es kaum.
Japan selbst hat sich für den Ausstieg aus der Atomenergie immerhin noch eineinhalb Jahre Zeit gelassen und diesen erst im September 2012 beschlossen. Einer Meldung vom 14. September 2012 zufolge sollte dieser Prozess bis 2030 abgeschlossen sein. Doch schon am 19. September, nicht einmal eine Woche später, titelte Spiegel Online : »Lobbyisten bremsen Japans Energiewende aus«. Und im Untertitel hieß es: »Ist das der Ausstieg aus dem Ausstieg?« – Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
Auf dem Dreikönigstreffen der FDP im Januar 2012 verglich Philipp Rösler den Club of Rome mit den Zeugen Jehovas: Beide predigten ständig Weltuntergangsszenarien, die immer wieder verschoben werden müssten, da sie nie eintreten. Wer von Wachstumsgrenzen und Verzicht spricht, dem bescheinigte Rösler Zukunftsverzagtheit und Mimosentum. Es ist ein bisschen so, als würde der Erste Offizier auf der Titanic den Kapitän und die gesamte Mannschaft, die gerade den vor ihnen auftauchenden Eisberg entdeckt haben, einer pessimistischen Sicht auf die Zukunft bezichtigen. »Nicht bremsen!«, ruft Rösler. Mit der Parole »Mehr Wachstum« will er der FDP neues Profil verleihen.
Dennis Meadows, der zu den frühen Mitgliedern des Club of Rome gehört, gestand mir in einem Gespräch, er sei erschüttert über den Widerstand, auf den alle Bemühungen um eine nachhaltige Politik treffen. Seit die Wissenschaftler mit ihrem Bericht von 1972 das erste Mal auf die Grenzen des Wachstums hingewiesen haben, habe er 40 Jahre lang immer wieder mit ansehen müssen, wie sich mächtige Wirtschaftslobbyisten und rückwärtsdenkende Politiker mit allen Mitteln gegen ein Umdenken zur Wehr setzen; unter anderem,
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