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Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft

Titel: Kanak Sprak: 24 Mißtöne vom Rande der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Feridun Zaimoglu
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großen nutzen darin zu sehen, geschehenes und geschehnisse in den billigen plastikeimer der deutungen zu schütten. Abends befällt mich in meinem obdach ein rasender überdruß, und schon blinkt es in großen neonlettern: hiob und die versuchungen und die plagen des herrn. Zuweilen werde ich zu einer geselligen runde eingeladen, mitten in der unterhaltung stockt der motor, und ich denke: der poltrige revolutionär in byzanz. Ich trage die übelkeit mit mir herum, sie ist eine art organgefühl. Oder ich sitze hinter der lausigen gardine, draußen lärmen die kinder, und mir fällt ein anderer film ein: das jahr, in dem wir kontakt aufnahmen. Ich lasse den blick durchs zimmer streifen, mein ehemaliger schulungsleiter wäre stolz auf mich gewesen, denn ich besitze fast gar nichts, es ist vielmehr so, daß das mobiliar aus dauerleihgaben besteht: hemden, zwei hosen, zwei pullover, zwei schuhe, bundeswehrparka, ein fremdenlegionsbarrett, und für die eitelkeit ein kamm, eine naßrasurgarnitur, das kapital von marx, ein buch, das mir heute noch ein schleier ist. Der schulungsleiter wurde irgendwann geschnappt und sie haben ihn dann im morgengrauen gehängt. Er sagte solche sachen wie: eure erste revolutionäre übung besteht darin, daß ihr kapiert, wie gut ihr es haben könntet, wenn ihr in diesem scheißspiel des staates mitmischt. Eure zweite, daß ihr anfangt, keine lust darauf zu haben. Das problem besteht darin, daß wir immer auf der verliererseite stehen. Sie kriegen uns fast immer, sie machen mit uns, was sie wollen, und es scheint, als spielten sie schicksal für uns, und sie lassen nicht eher locker, bis wir durchdrehen oder in irgendeinem verschissenen kugelhagel verrecken. Sie kotzen uns einfach aus, und wir müssen uns denn mit unserer elenden deformation herumplagen. Für mich ist es schier unmöglich, wieder von vorne anzufangen. Irgendwann war auch ich dran, sie haben mich nicht etwa verhört oder so etwas, sie haben mich in eine kleine eiskalte und nasse zelle gesteckt, nach vier tagen siechtum ließen sie vier kriminelle hinein, und sie hatten nichts besseres zu tun, als mich in den arsch zu ficken. So einfach ist es, einem rebellen das licht auszuknipsen. Seitdem kriege ich keinen hoch, und schon wieder ein bild: der revolutionär und sein schlapper schwanz, was für ein blöder witz. Mich packt die wut, wenn ich daran denke, in was für höllen sie uns gestoßen haben. Unsere kampfzelle bestand aus sieben genossen, und ich kann dir sagen, was aus uns geworden ist: zwei wurden hingerichtet, eine genossin bei einer razzia erschossen, der vierte schoß sich selbst in den mund, daß seine eigene mutter ihn wahrscheinlich nicht wiedererkannt hat, von einem anderen fehlt jede spur, der sechste pißt nachts ins bett vor lauter angst, sie könnten ihn abholen kommen, und ich, der letzte im bunde, laufe kaputt und in den arsch gefickt und mit dreißig in der gegend herum. Das ist schon eine filmreife leistung: das verschwinden der revolution anhand von fallbeispielen. Am ende seiner miesen karriere hockt der revolutionär wie der letzte wichser hinterm fenster, und hofft im geheimen den phänomenen auf den grund gehen zu können. Und noch eins kannst du denen da draußen verraten: mein eigenes spundloch ist mir zum feind geworden, und ausgerechnet beim scheißen packt mich der panische anfall, es könnte wieder einer daherkommen und mir wieder was reinstecken. Ich habe wohl voll den psychoknacks abbekommen, daran gibts nichts zu deuteln. Ich träume von der klebrig-kitschigen gebärde, vom grandiosen befreiungsschlag, doch daß die menschen irgendwann einmal ruhe einkehren lassen in dieses gottverdammte tollhaus, ist bei aller revolution und allem glauben, der da kommen mag über uns, genauso ein dreck wie mein wunder arsch.

Der Partisan will anner heiklen Grenze stehn
Ulku, 28, arbeitslos
    Der partisan steht man jetzt im regen, sein weites terrain hat er in so ner dämlichen stunde freigegeben, und da krückt er also man rum wie’n sägiger stenz, und schiebt wache vor ner nullwichtigen ruine, und wartet auf’n feind, oder, viel besser, auf ne fatale kriegserklärung vonnem ollen russen, der’s hinterland mit bombe und gas schlimm bedrohen soll, der partisan will anner heiklen grenze stehn als ganzer mannskerl und irgendnen busch scharf ins visier nehmen, und alle ladung beim kleinsten

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