Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
dich. Sag mir nur schnell, dass das alles nicht stimmt, Schatz, ja?«
»Was denn?«, fragte er, schon etwas unsicherer.
»Angeblich tauchst du mit Theodors U-Boot herum?«
»Aha?«
»Stimmt das, oder nicht?«
»Wieso willst du das wissen?«
»Weiß dein Vater davon?«
»Mama, lass mich in Frieden.«
»Paul-Walter, wo sind die anderen? Cyrano, Tom und Grit?«
»Mach dir keine Sorgen, auch die haben ihren Spaß.«
»Okay. Aber wo seid ihr?«
»Das geht dich nichts an.«
»Ich sehe doch, dass du auf einem Bootsteg bist. Willst du segeln?«
»Mutter, lass mich in Frieden, ich schalte dich jetzt weg.«
»Nein, Paul-Walter, warte«, sagte sie streng und betonte dabei jedes einzelne Wort. »Stimmt es, dass ihr nach Giftgas tauchen wollt?«
Er schwieg.
»Paul-Walter!« Ihre Stimme klang jetzt angsterfüllt, fast schrill. »Hört auf damit, und kommt sofort nach Hause!«
»Nein!«
»Wenn dein Vater das erfährt, schlägt er dich grün und blau.«
»Das wird er nie wieder tun.«
»Ich befehle dir, dass du sofort nach Hause kommst.«
»Du hast mir gar nichts zu sagen.« Jetzt geriet Paul-Walter in Fahrt. »Du hältst besser deinen Mund. Willst du etwa ein Vorbild sein? Ein Vorbild für das, was man zu tun und zu lassen hat?« Er lachte gehässig.
»Was meinst du denn damit?«
»Was du gemacht hast, ist ja wohl das Schlimmste, was man machen kann. Du hast den Menschen ermordet, den du geliebt hast.«
Island sah die Gutsherrin erblassen. Sie geriet ins Wanken, streckte einen Arm zur Seite und krallte sich an einem dürren Baum fest, der sich einen Platz im Gleisbett erkämpft hatte.
»Wieso sagst du so etwas?«, flüsterte sie.
»Ich habe Cords Filme gesehen, Mutter.«
»Was?«
»Die Filme, die in deinem Wagen aufgenommen wurden. Du hast wohl total vergessen, dass die Kamera im Heck lief, was? Fohlenalarm, dein tolles Überwachungsprogramm. Damit du nachts nicht fünfmal in den Stall rennen musst, wenn die Stuten abfohlen. Du und deine bescheuerten Pferde. Sie waren dir ja schon immer wichtiger als Dad oder ich.«
»Nein«, sagte sie. »Nein.«
»Tja, Mama, jetzt hast du ein Problem.«
»Paul-Walter, sag mir, wo hat Cord den Film versteckt?« Ihr Tonfall war flehend.
»Stellst du dich absichtlich so dumm, Mutter? Cord hat doch seine persönlichen Sachen bei dir in den Keller gestellt. Er war ja dein Poolboy. Dort unten hat er uns unsere Tattoos gestochen, dort unten hat er auch seinen Laptop versteckt. Es ist nicht schwer zu finden. Fohlenalarm – herzlichen Glückwunsch zu diesem bescheuerten Programm, das dich offenbar auch noch intellektuell überfordert. Diese praktische kleine Kamera ist mitgelaufen, als du mit deinem peinlichen Jon nachts am See zum Tauchen warst. Es ist wunderschön zu sehen, wie du ihn angegangen bist wie eine Furie. Als er dir ins Gesicht gesagt hat, dass er Lissy liebt und du eine alte Schachtel bist. Deine Kamera hat Nachtsichtoptik bis fünfzehn Meter, wusstest du das nicht?«
Stefanie Rubi-Tüx schwieg.
»Alles ist darauf zu sehen. Auch wie du das Messer aus dem Picknickkorb nimmst und es ihm ins Herz rammst. Wie er sich zusammenkrümmt und umfällt. Man kann sehen, wie du die Hydraulik betätigst, um das Heck des Wagens abzusenken. Anders hättest du den Toten sicher nicht hineinbekommen. Das alles ist auf dem Film bestens dokumentiert und brav abgespeichert zwischen den anderen Filmen mit deinen blöden Pferden.«
Island sah, dass sich die Augen des Jungen mit Tränen gefüllt hatten. Er schluchzte auf, und seine Lippen zitterten. Doch dann ging ein Ruck durch seinen Körper, und der Junior hatte sich schon wieder im Griff.
»Ich mach jetzt Schluss, Mama«, sagte Paul-Walter wie nach einem netten Plausch am Nachmittag. »Wir sehen uns später oder auch nicht.«
»Halt«, brüllte Island und riss Frau Tüx, die immer noch wie angewurzelt dastand, das iPhone aus der Hand. »Hier spricht die Polizei. Ich habe alles mitangehört. Paul-Walter, wo befindest du dich jetzt?«
»Das werde ich nicht sagen«, kam die Antwort mit einer Entschlossenheit, dass es Island kalt den Rücken herunterlief. »Ich werde jetzt an Bord unseres U-Bootes gehen. Wir haben Granaten an Bord und fahren demnächst in die Schleuse rein.«
»Bitte, brecht die Expedition ab. Ihr seid in großer Gefahr. Die Terrorabwehr wird euch abschießen.«
»Terrorabwehr?« Ein heiseres Lachen erklang. »Was ist das denn für ein Gerede? Und wenn, dann ist uns das auch egal. Wir werden der Welt einfach
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