Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
Abteilungen waren dabei gewesen. Franzen war offenbar noch beliebter, als Island gedacht hatte. Außerdem waren natürlich jede Menge Freundinnen und Freunde, Bekannte und Verwandte der beiden Bräute dabei gewesen.
Auf der Hochzeit hatten sie sich kaum noch über die spektakulären Ereignisse der vergangenen Woche unterhalten, als ein privates Forschungs-U-Boot in der Schleuse von Holtenau festgesetzt worden war. Die jungen Leute, die mit dem Gefährt unterwegs gewesen waren, hatten den Fangkorb unter dem Boot mit Metallkartuschen beladen. Die Taucher der Bundeswehr hatten bei der anschließenden Untersuchung festgestellt, dass die Kartuschen alle leer gewesen waren. Das Gift, das einmal in ihnen gesteckt hatte, war schon vor vielen Jahren vom Ostseewasser herausgewaschen worden.
Bei Henna Franzens Hochzeit jedenfalls hatte es Unmengen zu essen und zu trinken gegeben. Und weil Henna sie beim Abschied genötigt hatte, auf jeden Fall noch etwas von den Salaten mitzunehmen, hatte Jan Dutzen gefragt, ob Olga nicht Lust hätte, mit ihm am nächsten Tag an einem seiner Lieblingsplätze zu grillen. Das Wetter sei doch einfach zu schön.
Olga hatte nicht lange überlegt, ob sie die Einladung annehmen sollte. Tante Thea war wieder in Berlin. Dort bereitete sie sich auf die Kreuzfahrt im September vor, zu der sie sich von ihrem neuen Freund Dr. Rudolf Bodenfels hatte überreden lassen. Lorenz war von Italien aus über Berlin direkt nach New York weitergereist. Per E-Mail hatte sie erfahren, dass sich für ihn die einmalige Chance eröffnet habe, mit mehreren seiner Fotoarbeiten an einer Ausstellung in einer der angesagtesten Galerien Brooklyns teilzunehmen. Aber nach der Vernissage und einigen Tagen Aufenthalt in New York werde er bestimmt nach Kiel kommen und sich um alles Weitere kümmern.
Olga hatte Jan Dutzen gerade von ihrem Frust über diese Nachricht erzählt.
»Wir sind eben nur zwei kleine Polizisten«, hatte er geantwortet. »Die große Kunst spielt sich doch immer woanders ab.«
»Weißt du was, Jan Dutzen?« Olga Island aalte sich wieder auf ihrem Badelaken.
»Na?«
»Ist es nicht herrlich hier am Strand? Das Wasser, die Wellen, der Sommer?«
»Unbedingt.«
»Was sabbelst du dann von großer Kunst und so?«
»Ich denke, da stehst du drauf?«
»Eigentlich stand ich mal auf den dazugehörigen Künstler, aber was hat man von der Kunst, wenn sie einen einsam macht?«
»Bist du einsam?«
»Lorenz hat doch nie Zeit. Ich fürchte, das wird sich auch nicht ändern, wenn das Kind da ist.«
»Weißt du was, Olga Island?« Dutzen gähnte und legte sich auf das Laken neben ihr.
»Na?«
»Du hast doch mich.«
Beide mussten lachen.
Aber als Island ihn ansah, sein sonnengebräuntes Grübchen über der Oberlippe, die kleinen, weißen Schneidezähne, fand sie doch, dass er zum Anbeißen aussah.
»Die richtig große Kunst ist sowieso das Leben«, sagte er und senkte seinen Blick tief in ihre Augen. »Das ist doch das, was wir in unserem Beruf jeden Tag aufs Neue erleben.«
»Wow, Dutzen, ich wusste gar nicht, dass du solche Gedanken hast«, sagte sie und musste blinzeln.
»Ich habe noch ganz andere Gedanken.«
»Ja? Was denn?«
»Wusstest du, dass ich schwangere Frauen total erotisch finde?«
Island lachte los. »Kannst du dir vorstellen, dass ich auf kleine Polizeibeamte abfahre?«
»Man darf ja wohl noch träumen«, sagte er und sah einer Möwe nach, die mit einem dünnen Fisch im Schnabel über sie hinwegflog, gefolgt von einer Schar Artgenossen. Eine Weile sagten sie beide nichts. Das Kreischen der zankenden Vögel war zu hören, das sich mit dem Kreischen von spielenden Kindern mischte.
»Warst du eigentlich eifersüchtig auf Henna?«, fragte er nach einer Weile.
»Warum das denn?«
»Ich meine, weil wir zusammen schwimmen gegangen sind?«
Olga Island musste schon wieder lachen, dass ihr der Bauch wackelte. »An Selbstüberschätzung leidest du überhaupt nicht, was?«
»Ich mein ja nur.«
»Weißt du, ich arbeite gern mit dir zusammen. Man könnte sagen, ich habe mich langsam an dich gewöhnt. Das war nicht leicht. Schließlich bist du einer der merkwürdigsten Kollegen, die ich je hatte.«
Jan Dutzen schien nachzudenken. »Olga?«
»Was?«
»Du warst schon ein bisschen eifersüchtig, oder?«
»Sagen wir mal so, ich habe eine kurze Zeit lang wirklich gedacht, du hättest was mit Henna. Aber eifersüchtig würde ich das nicht nennen. Das würde ja heißen, dass ich, ich meine, dass du
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