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Kann ich den umtauschen?

Titel: Kann ich den umtauschen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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machte einen Bogen darum, ging direkt in Flos aufgeräumte Landküche, machte sich eine Tasse Kaffee und setzte sich damit hinaus in die Herbstsonne.
    Sie trank bereits die zweite Tasse, als die »Musik« endlich verstummte. Fünf Minuten später ließ Flo sich neben ihr auf die Gartenbank plumpsen und fächelte sich mit einer eselsohrigen Chopin-Partitur Luft zu.
    Â»Wieso mache ich das, Alice?«
    Â»Aus Liebe zur Musik?«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Aus Liebe zur Musik?«, wiederholte Alice etwas lauter.
    Â»Dann dürfte ich Adam Chandler nicht auf zehn Meter an eine Note heranlassen. Ich wünschte, ich könnte sagen, heute war das letzte Mal, aber er hat bis Weihnachten jeden Donnerstag um fünf eine Stunde gebucht.«
    Â»Könntest du ihm nicht vorschlagen, auf Schlagzeug umzusteigen?«
    Wieder sah Florence sie stirnrunzelnd an. Dann erhellte sich ihre Miene, als habe sie soeben die Antwort auf eine wichtige Frage gefunden – und im nächsten Moment pulte sie sich ihre Ohrstöpsel aus den Gehörgängen.
    Â»Tut mir leid«, grinste sie. »Die hatte ich ganz vergessen. Was hast du gesagt?«
    Â»Ich sagte, vielleicht sollte er mit dem Klavierspielen aufhören und es stattdessen mit Schlagzeug versuchen.«
    Â»Es fehlt ihm ganz einfach an Rhythmusgefühl. Am besten wäre es, wenn er sich ein anderes Hobby zulegen würde. Irgendwas weniger Beleidigendes für die Gehörknöchelchen. Ich schwör’s dir, seit ich versuche, Justin die absoluten Grundlagen von Chopin beizubringen, habe ich zwei Falten mehr auf der Stirn.«
    An dieser Stelle runzelte Flo demonstrativ die Stirn und rubbelte mit dem Finger darüber.
    Â»Ich sag dir, neulich noch wie Seide, heute oller Cord.«
    Â»Da ist doch überhaupt nichts«, protestierte Alice.
    Â»Prima, den Satz kannst du jetzt mal ordentlich üben, den wirst du in den nächsten Jahrzehnten nämlich noch ziemlich oft wiederholen müssen, um mich bei Laune zu halten.«
    Â»Ich mein das ernst.«
    Â»Ich auch.« Flo nickte entschlossen. »Es ist zwar noch fünf Monate hin, bis ich dreißig werde, aber ich sehe jetzt schon aus wie achtundvierzig.«
    Alice und Flo waren gleichaltrig, sahen aber überhaupt nicht so aus. Flo ging für drei Jahre älter durch, Alice für drei Jahre jünger.
    Alice sagte immer, das komme von den Erbanlagen.
    Flo sagte immer, das komme von den Saufgelagen.
    Â»Du trägst Größe 36, ich 40. Ich sage dir, Alice, es liegt am Fett. Lässt dich um Jahre älter aussehen.«
    Â»Du bist nicht fett.«
    Â»Und Affen haben keine behaarten Ärsche.«
    Â»Jedenfalls nicht alle.«
    Â»Alice …«
    Â»Ist doch wahr! Guck sie dir doch mal an, die mit dem riesigen rosa Hintern, glatt wie ein Babypopo, von der Farbe her vielleicht wie Himbeeren, aber OHNE Haare!«
    Â»Alice. Ich. Bin. Fett.«
    Â»Größe 40 ist heutzutage doch ganz normaler Durchschnitt.«
    Â»Dann ist der ganz normale Durchschnitt eben fett … Abgesehen davon, wenn ich ganz ehrlich bin – und das bin ich zugegebenermaßen selten, wenn es um Kleidergrößen geht –, dann habe ich eigentlich sogar eher Größe 42 … Aber wehe, du sagst Andrew was davon! Der glaubt, ich hätte 38 … Jedes Mal, wenn er mir was zum Anziehen schenkt, tausche ich es gegen eine größere Größe um und schneide dann das Etikett heraus. Und er glaubt, ich sei allergisch gegen Klamottenetiketten!«
    Â»Du spinnst doch, Flo.«
    Â»Nein, Alice, ich bin übergewichtig. Das ist ein Unterschied.«
    Alice gab auf und schnappte sich ihre Tasche. Das Lächeln, das ihren seitlichen Blick zu Flo begleitete, hätte ein Fremder, der sie nicht kannte, vielleicht als selbstgefällig empfunden. Doch wer Alice kannte, wusste, dass dieses Lächeln Ausdruck von Vorfreude war, weil sie wusste, dass sie gleich jemandem, den sie liebte, eine große Freude machen würde.
    Â»Ich hab was für dich.«
    Â»Für mich?«
    Alice nickte.
    Â»Was Langweiliges oder was Geschenkiges?«
    Â»Was Geschenkiges.«
    Â»Oooh!« Das Fett war vergessen. Flo streckte lächelnd die Hände aus. »Gib her.«
    Und Alice gab es her.
    Flo kreischte vor Vergnügen.
    Der Auslöser dieser Ekstase war ein Buch.
    Â»Venezianisches Glas!«
    Â»Ganz genau.«
    Â»Der neueste Roman von Julian Stanton …« Flo

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