Kantaki 02 - Der Metamorph
begegnen.«
Ein weiterer Schritt nach vorn, weg von der Hütte, durch knirschenden Schnee…
Wellen liefen an den Strand, so sanft wie die Hand einer Mutter, die ihr Kind streichelt. Eklund drehte sich um, und wohin er auch sah: Überall reichte das Meer bis zum Horizont. Er stand auf einer kleinen Insel, auf einem winzigen weißen Hügel im endlosen Blau des Ozeans. Dies, so fühlte er, war das Zentrum des Elysiums, das Meer der Kraft, der Schöpfungsenergie, die er vor neunundzwanzig Jahren zum ersten Mal berührt hatte, die ruhende Mitte der Welt über der Welt.
Etwas veranlasste ihn, in die Tasche zu greifen und die bunten Steine hervorzuholen, die er manchmal bei sich trug. Er ging in die Hocke, nahm die Steine in beide Hände und ließ sie fallen.
Ihr Muster…
Sie formten ein Oval, ein Gesicht ohne Augen, Nase und Mund.
Als Eklund aufsah, wuchsen die Wellen des Meeres vor ihm empor und wurden zu Wänden, zu den glitzernden Wänden eines Hauses aus Wasser, und der Sand unter ihm verwandelte sich in den Boden eines Waldes mit hohen, Schatten spendenden Bäumen. Jemand trat durch die Tür des Hauses aus Wasser nach draußen und streckte ihm die Hand entgegen…
Das Ziel.
Und der Weg dorthin führte durch sein Leben.
Doch ein anderer Weg war zu Ende gegangen.
Eklund schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, saß er in der kleinen Wohnhöhle, und das Licht der Chemolampe fiel auf den toten Bruder Darius. Sein Gesicht wirkte… entspannt und friedlich – er hatte im letzten Moment seines Lebens den Zweifel überwunden und die erhoffte Ruhe gefunden.
Rena stand in der Nähe, und auch Terod mit dem Amulett. »Es tut mir Leid«, sagte er. »Es tut mir Leid, dass wir zu spät gekommen sind.«
»Er starb in Frieden.« Rena sah Eklund an. »Und das hat er dir zu verdanken.«
Eklund sah ihr in die Augen und wusste, dass sie verstand.
»Darius hat das Ende seines Weges erreicht«, sagte er. »Und ich glaube, er fand dort, was er suchte.«
»Was ist mit dir?«, fragte Rena und bewies damit, dass man sie zu Recht Seherin nannte.
Eklund lächelte matt. »Ich bin noch unterwegs. Aber auch ich werde mein Ziel eines Tages erreichen.«
3 Erfahrungsschatten
Kerberos
15. April 421 SN
02:45 Uhr
Das Etwas schwamm, umgeben von Wasser und Dunkelheit, zwei ambientalen Faktoren, für die es keine Namen hatte, die es aber sehr wohl mithilfe seiner peripheren Zellen wahrnahm. Nach der Konfrontation mit dem Giftgas und der harten Strahlung verfügten diese Zellen über ein besonders großes autoregeneratives Potenzial, und außerdem hatte die Formationsmatrix sie mit defensiver Aggressivität ausgestattet: Was sie berührten, wurde absorbiert oder neutralisiert – es hing von der Beschaffenheit der jeweiligen Substanzen ab. Waren sie organischer Natur, so dienten sie als Nahrung, aus der sich wertvolle Energie gewinnen ließ, oder sie konnten als Baumaterial für etwas verwendet werden, das allmählich zu einem Körper wurde. Der breite, mächtige Acheron, tausende von Kilometern lang, steckte voller hungriger Räuber, die das Etwas zunächst ignorierten, dann für etwas Fressbares hielten und schließlich flohen, falls sie Gelegenheit dazu erhielten. Kein Stadium ihrer Evolution hatte sie auf die Begegnung mit einem solchen Geschöpf vorbereitet, während das Etwas einfach nur den allgemeinen Direktiven des Grundprogramms gehorchte, indem es überlebte. Mehrmals bohrten sich Zähne in die Zellmasse und zerrissen sie, aber der vermeintliche Leckerbissen bohrte sich durch Magenwände, fraß den Fresser von innen her, wuchs und vereinte sich mit den übrigen Zellen, nahm von den Exekutoren neue Strukturierungsanweisungen entgegen und setzte sie in Form um. Die Differenzierung einzelner Zellgruppen nahm zu, und das galt auch für den neuronalen Bereich. Das Etwas reagierte nicht mehr nur auf das, was es umgab, es begann zu planen, auf einer noch weit unterhalb des Bewusstseins liegenden Ebene.
Nach einiger Zeit – wobei Zeit etwas war, das noch immer weitgehend ohne Bedeutung blieb – ließen die Angriffe auf das Etwas nach: Bei den Räubern im Fluss schien es sich herumgesprochen zu haben, dass man dem rätselhaften neuen Geschöpf besser fernblieb. Als die Umgebung wechselte, als das Etwas den Acheron am Rand des Deltas verließ und festen Untergrund erreichte, wiederholte sich die Erfahrung. In den Ausläufern des Dschungels lebende Landbewohner glaubten zunächst an eine Mahlzeit und ahnten nicht,
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