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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Synthomasse einen Bogen, und der Randbereich war dort breiter, zum Teil ebenfalls von einer Polymerschicht bedeckt. Stimmen ertönten an jener Stelle, aber sie klangen anders als die Stimmen aus den Baracken. Es knallte mehrmals, begleitet von kurzem Aufblitzen im Halbdunkel und gefolgt vom Heulen eines Motors – ein Fahrzeug raste davon.
    Das Etwas zögerte. War die Gelegenheit gekommen?
    Weitere Stimmen erklangen, und organische Entitäten bewegten sich, eilten dorthin, wo es zuvor geknallt hatte. Im Bestreben, weitere Informationen zu gewinnen, näherte sich das Etwas, abseits der Rinnen mit den Fäkalien und wieder im hohen Gras verborgen.
    Das Licht der beiden Monde fiel auf einen einfachen Bodenwagen, ausgestattet nicht mit einem Levitator, sondern mit einem Verbrennungsmotor, der Räder antrieb. Die Kugeln von Projektilwaffen hatten Löcher in der Karosserie hinterlassen.
    Das Etwas nahm diese Dinge wahr, ohne sie zu erkennen und Begriffskategorien zuordnen zu können. Es dachte noch nicht, und seine Fähigkeit zu assoziieren beschränkte sich auf elementare, mit dem eigenen Überleben in unmittelbarem Zusammenhang stehende Dinge.
    »Meine Güte, diesmal hat es ihn erwischt«, sagte eine der organischen Entitäten – Menschen –, die zum Ort des Geschehens geeilt waren. Das Etwas hörte die Stimmen, doch die Worte verstand es natürlich nicht. Es blieb im Gras, wartete erneut.
    »Wen meinst du?«, fragte jemand anders.
    »Rico. Ist ebenso durchlöchert wie seine Kiste. Und Rita ist ebenfalls hinüber. Hatte das Pech, neben ihm zu sitzen.«
    »Mann, Mann!« Die zweite Stimme klang sehr aufgeregt. Und jung. Zu jung für einen erwachsenen Menschen. »Wer steckt dahinter?«
    »Na, wer wohl? Nur Bobby kommt dafür infrage. Rico hat in letzter Zeit in fremden Gewässern gefischt. Fühlte sich schon ganz groß. Ich schätze, ihm blieb nicht einmal Zeit genug, es zu bereuen.«
    Sirenen heulten in der Ferne, wurden lauter.
    »Lass uns von hier verschwinden!«
    »He, da liegt noch jemand! Da drüben.«
    Die beiden jungen Menschen eilten zu einer Gestalt, die einige Meter vom Fahrzeug entfernt am Boden lag. »Das ist Raimon. Mann, Mann, der war wirklich zur falschen Zeit am falschen Ort.«
    Die beiden Menschen bückten sich. »Lieber Himmel, so zu sterben…«
    »Ausgerechnet Raimon. Es hätte kaum einen Unschuldigeren erwischen können. Hat hier wahrscheinlich auf Kunden gewartet.«
    Wieder heulten die Sirenen, und das Licht von Scheinwerfern kam näher.
    »Komm jetzt. Ich habe keine Lust, die nächsten Stunden in einem Verhörzimmer zu verbringen.«
    »Mann, das mit Raimon tut mir wirklich Leid…« Die beiden jungen Menschen eilten fort, und die Schatten der Nacht verschluckten sie. Andere Gestalten, die sich dem Verkehrskorridor genähert hatten, huschten fort, verschwanden in Schuppen und Hütten.
    Auf einem subliminalen Niveau wusste das Etwas, dass es sofort handeln musste. Dies war eine Gelegenheit. Es kroch aus dem hohen Gras, näherte sich der einige Meter vom Fahrzeug entfernt liegenden Gestalt und veränderte einmal mehr die Struktur der eigenen Physis. Ein Sondierungsausläufer entstand, dünn genug, um in den Körper der Gestalt einzudringen, ohne dass eine Wunde entstand. Das Ergebnis der ersten raschen Analyse war eindeutig: Es steckt kein Leben mehr in diesem Leib. Ein Projektil war durch die Brust eingedrungen und hatte das Herz getroffen.
    Eine bestimmte Sequenz des Grundprogramms wurde aktiv. Das Etwas gab einen großen, nicht wesentlichen Teil seines Körpers auf und verflüssigte ihn, sodass die nicht mehr benötigten Zellen im Boden verschwanden und bei einer eventuellen Untersuchung dieses Ortes kein Aufsehen erregten. Der Kernbereich des Etwas – Formationsmatrix, Memoranten, Exekutoren, Korrektoren, Reparateure und andere wichtige Zellen – drang in den toten Körper ein, breitete sich aus und passte die fremden, toten Zellen der eigenen Struktur an. Die Formationsmatrix übernahm die Rolle der RNS und DNS. Eine Umwandlung fand statt. Das Etwas erweiterte sich in der Leiche, ohne mehr Platz zu beanspruchen. Es kopierte sich selbst in die fremden Zellen und wahrte dabei ihr Differenzierungsmuster, was bedeutete, dass sich am Bauplan des Körpers nichts änderte. Die Schäden im Herzgewebe wurden repariert, das in den Körper eingedrungene Geschoss ein wenig zur Seite geschoben. Spezielle Messenger-Substanzen sorgten für die notwendige Stimulierung, und das Herz begann wieder zu schlagen –

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