Rotes Haar - Herz in Gefahr!
1. KAPITEL
„Was ist? Willst du den ganzen Morgen nur herumstehen, oder machst du dich vielleicht mal nützlich und trägst eine von den Kisten für mich zum Fahrstuhl?“
Gideon schloss die Augen und zählte stumm bis zehn. Ganz langsam. Erst dann hob er die Lider.
Leider war es kein Albtraum, aus dem er irgendwann aufwachen würde. Immer noch stand Joey McKinley da und tippte energisch mit einem ihrer mörderisch hohen Stilettos auf den Betonfußboden der privaten Tiefgarage. Ihren Wagen hatte sie zwei Parkbuchten neben seinem abgestellt, und bis eben war ihr gesamter Oberkörper noch in den Tiefen des Kofferraums verschwunden gewesen.
Diese Frau würde in den nächsten vier Wochen sein Verderben sein – wenn er es so weit kommen ließ. Joey McKinley. Achtundzwanzig Jahre alt, knapp mittelgroß und mit feuerroten, langen Haaren, die üppig ihr hübsches Gesicht umrahmten. Die jadegrünen Augen leuchteten herausfordernd, und auf der Nasenspitze zeichneten sich Sommersprossen auf der hellen Haut ab. Ihr Mund war voll und sinnlich, und das enge, schwarze Kostüm schmeichelte ihrer schlanken Figur, während die grüne Bluse perfekt mit den eindrucksvollen Augen harmonierte. Ein hinreißendes Erscheinungsbild – wäre da nicht das unberechenbare Temperament dieser Dame!
„Nun?“, drängte seine persönliche Lieblingsfeindin, und das Klopfen ihres Stilettos auf dem Betonboden wurde etwas lauter und ungeduldiger. Fragend hob sie die schönen, geschwungenen Augenbrauen.
Um etwas Zeit zu gewinnen, atmete Gideon tief durch und wog im Stillen seine Möglichkeiten ab. Noch nachträglich würde er Lucan am liebsten dafür umbringen, dass er ihn in diese Situation gebracht hatte.
Seit knapp zwei Tagen, nachdem Lucan ihn während der Hochzeitsfeier am Samstagabend von den personellen Änderungsplänen in Kenntnis gesetzt hatte, grübelte Gideon darüber nach, was eigentlich in seinen älteren Bruder gefahren war. Solange Lucan und Lexie auf Hochzeitsreise waren und Gideon den Posten als Geschäftsführer des Familienunternehmens St. Claire Corporation innehatte, sollte seine Schwägerin Joey McKinley seinen Posten als rechtlicher Vertreter der Firma übernehmen.
Zwar hatte Gideon entschieden eingewandt, er könne mühelos beide Aufgaben erfüllen, doch davon ließ sich Lucan nicht umstimmen. Er ignorierte sogar Gideons deutlich formulierte Zweifel an einer effektiven Zusammenarbeit mit Joey McKinley.
Als Anwältin respektierte Gideon sie, und in Kollegenkreisen fiel kein negatives Wort über ihre Arbeit. Nur Lob und Bewunderung hinsichtlich ihres resoluten und überzeugenden Auftretens vor Gericht. Doch auf privater Ebene reizte sie ihn bis aufs Blut.
Im Verhandlungssaal wirkten ihre roten Haare wie ein Signalfeuer, das alle Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Ihre Stimme und ihr Lachen waren laut und klangen ein bisschen heiser. Die letzten beiden Male, die Gideon sie gesehen hatte, trug sie Kleider anstelle strenger Kostüme. Einmal eine bodenlange grüne Seidenrobe als Brautjungfer auf der Hochzeit ihrer Schwester Stephanie mit seinem Zwillingsbruder Jordan und dann am Samstag bei Lucans und Lexies Feier ein knallrotes, knielanges Cocktailkleid. Eigentlich hätte es sich mit ihren kupferroten Haaren beißen müssen, tat es aber seltsamerweise nicht. Stattdessen betonte es noch die naturgoldenen und zimtfarbenen Strähnen.
Selbst dem recht nüchternen Businessoutfit von heute musste Gideon gerechterweise Anerkennung zollen. Die kurze Jacke saß eng am Körper und betonte den runden Busen, und der dazu passende Rock war knapp genug, um einen ausgiebigen Blick auf wohlgeformte Beine zu gewähren.
Mit anderen Worten, Joey McKinley war wirklich eine …
„Ich habe schon Farbe schneller trocknen sehen, als du dich bewegst“, rief sie ihm zu.
… eine absolute Landplage!
Zischend sog er ein weiteres Mal den Atem ein und spannte alle Muskeln an. „Musst du eigentlich immer so anmaßend sein?“ Blöde Frage. Mittlerweile kannte er sie gut genug, um zu wissen, dass sie grundsätzlich alles gleich von sich gab, was ihr gerade durch den Kopf ging. Für einen Mann wie Gideon, der jedes einzelne seiner Worte sorgsam überdachte, ein ziemlich verstörendes Verhalten.
Ihre nächste Bemerkung war wieder ein Paradebeispiel für ihre direkte Art. „Vielleicht könnte ich einen anderen Ton anschlagen, wenn du zur Abwechslung deine Arroganz und Überheblichkeit ablegst und uns Sterblichen in der realen Welt Gesellschaft
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