Kantaki 02 - Der Metamorph
Antwort von Amadeus zu erwarten. »Dort sind Valdorians achtzehn Vorgänger bestattet, auch sein Vater. Die ganze Dynastie.« Er zögerte kurz, blickte übers Scharlachrote Meer und war in Gedanken ganz woanders. »Wer weiß, wo er jetzt steckt. Wer weiß, ob er überhaupt noch lebt.«
Amadeus wartete geduldig auf Worte, die seiner servilen Existenz Sinn gaben.
Lukert Turannen drehte sich ruckartig um, schritt über die Terrasse und betrat die Villa. Judith wanderte durch das Foyer, drehte sich wie eine Ballerina um die eigene Achse und schien nicht recht zu wissen, wohin sie zuerst sehen sollte. »Dies ist ein angemessenes Haus für uns, finden Sie nicht, Lukert?«, freute sie sich. »Bestens geeignet für Empfänge. Endlich können wir uns so präsentieren, wie es sich gehört.«
Turannen achtete nicht auf die Worte seiner Frau. Schon vor Jahren hatte er einen geistigen Filter installiert, der die meisten Bemerkungen Judiths von seiner bewussten Wahrnehmung fern hielt. In dieser Hinsicht verhielt er sich ähnlich wie Amadeus ihm gegenüber: Er achtete nur auf die Dinge, die ihn unmittelbar betrafen. Judith war das genaue Gegenteil von ihm: reine Oberflächlichkeit. Wenn man am Äußeren kratzte, in der Hoffnung, Substanz zu finden, so wurde man schnell enttäuscht. Gelegentlich fragte sich Turannen, warum er sie geheiratet hatte, aber manche Dinge ergaben sich einfach.
Langsam ging Lukert Turannen durch Valdorians Villa, begleitet von Amadeus und Judiths Stimme.
»Oh, sehen Sie, Lukert, ein blauer Salon, in einem dynastischen Stil eingerichtet…«
Turannen sah sich um. Wohin er den Blick auch richtete: überall Kunstgegenstände und Luxus. Mit Kunst konnte er nichts anfangen. Er kannte ihre ästhetische Funktion, und er wusste auch um die komplexe Metaphorik, die Kunstwerken aller Art mehr oder weniger hintergründige Bedeutung verlieh, aber in Turannens Gedanken und Empfindungen gab es nur Platz für das Konkrete, Reale und Unmittelbare. Mit allen anderen Dingen vergeudete man wertvolle Zeit, und wer Zeit vergeudete, kam nicht voran. Lukert war sein ganzes Leben lang bestrebt gewesen, sich nach oben zu arbeiten, ohne irgendeine Ablenkung. Als Autarker hatte er angefangen, war dann zu einem Souverän geworden und schließlich zum Magnaten. Status bedeutete ihm etwas. Auch deshalb bestand er in seiner Ehe auf dem konformistischen, bei Magnaten üblichen Sie.
So viel zur Kunst. Was den Luxus betraf… Er hatte nur dann einen Sinn, wenn man ihn als Mittel zum Zweck verwenden konnte, oder um etwas zu symbolisieren. Luxus um seiner selbst willen war ihm ebenso fremd wie Kunst.
»Es erstaunt mich, dass sich Valdorian mit solchen Dingen umgab«, sagte er und setzte den Weg durch die Villa fort. »Ich hätte gedacht, dass er sich vor allem auf die Arbeit konzentriert hat. Immerhin war er der Primus inter Pares… Amadeus, ich werde Ihnen eine Liste der Dinge geben, die entfernt werden müssen. Ich wünsche mir mehr Funktionalität.«
»In Ordnung«, sagte der Sekretär und machte sich eine Notiz auf seinem Infonauten. Selbst seine Stimme hatte etwas Wieselhaftes.
»Der rote Salon wird zu meinem Musikzimmer und der grüne mein ganz persönlicher Meditationsraum. Und der große Flur, haben Sie den großen Flur gesehen, ich stelle mir einen langen Banketttisch darin vor…«
Turannen öffnete eine große Tür, und dahinter erstreckte sich ein Raum, der einen ganzen Flügel der Villa beanspruchte. Er verdiente es nicht, Arbeitszimmer genannt zu werden – es war eher ein Arbeitssaal –, aber eine gewisse Atmosphäre wies Lukert sofort darauf hin, dass Valdorian hier gearbeitet hatte.
»Oh, und das ist…«
»Mein Büro«, sagte Turannen gerade laut genug.
»… Ihr Domizil«, beendete Judith den Satz. Sie blieb in der Tür stehen, und Lukert empfand sie als einen störenden Fremdkörper.
Er winkte. »Sehen Sie sich den Rest der Villa an. Amadeus begleitet Sie und notiert Ihre Wünsche.«
»Oh? Ja. Natürlich. Ich habe so viele Ideen… Kommen Sie, Amadeus, fangen wir im Foyer an…«
Sie rauschte fort, glücklich wie eine Königin, die endlich ihr Schloss bekommen hatte.
Turannen blieb allein in dem großen Raum zurück und ließ ihn auf sich wirken. Mehrere Podien ragten aus dem Boden des Saals, der aus Marmor und Edelholz bestand. Überall wuchsen Pflanzen, in Töpfen oder mit Erde gefüllten Aussparungen, und einige von ihnen reichten bis zur hohen Decke empor. Helles Licht fiel durch breite Fenster,
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