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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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glitt über verzierte Säulen und Statuen. Auch hier waren Kunst und Luxus dominant, ebenso wie in den anderen Räumen der Villa. Aber nicht mehr lange, dachte Turannen und beschloss, auch an diesem Ort dem Element der Funktionalität Vorrang zu geben.
    Er ging die kurze Treppe hinunter und näherte sich einem Podium, auf dem mehrere Konsolen und ein breiter Schreibtisch standen. Dahinter beanspruchten neunzehn Bilder – keine pseudorealen Darstellungen, sondern echte Gemälde – den größten Teil der Wand. Die würdevollen Mienen der Valdorians blickten wie wachsam aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Das neunzehnte Bild zeigte Rungard Avar Valdorian: große graue Augen, das kurze Haar ebenfalls grau, das Gesicht ernst, ein Mann, der daran gewöhnt war, wichtige Entscheidungen zu treffen, die hunderte von Welten betrafen. »Wo bist du jetzt?«, fragte Turannen leise und benutzte das despektierliche Du. Er hatte die sofortige Festnahme Valdorians und seine Auslieferung an die Allianz angeordnet, wo auch immer er sich befand – das war eine der Voraussetzungen für den von der Allianz angebotenen Waffenstillstand. »Was ist aus dir geworden? Und aus Cordoban?« Hass und Neid auf Valdorian den Neunzehnten waren fast so alt wie er selbst, Treibstoff für seinen Ehrgeiz, der ihn praktisch aus dem Nichts an die Spitze von New Human Design gebracht hatte. »Ich habe mir alles erarbeiten müssen«, sagte er. »Im Gegensatz zu dir. Dir hat man alles in den Schoß gelegt. Für dich war der Tisch von Anfang an gedeckt. Und doch… Jetzt stehe ich hier, in deinem Haus, und ich nehme deinen Platz ein.«
    Nun, das stimmte nicht ganz, musste er sich eingestehen. Er war nicht der Primus inter Pares eines mächtigen, unabhängigen Konsortiums, das vor dem verhängnisvollen Krieg gegen die Allianz aus fast sechshundert Sonnensystemen mit zweitausend Ressourcenplaneten und siebenhundertneunzehn bewohnten Welten bestanden hatte, verwaltet von siebenundachtzig Großkonzernen, die sich ihrerseits aus tausenden von einzelnen Unternehmen wie NHD und der Valdorian-Unternehmensgruppe zusammensetzten. Er war vielmehr der Koordinator eines Konsortiums, das inzwischen unter der Kontrolle der Allianz stand, einer ähnlich großen interstellaren Wirtschaftsgemeinschaft. Die wahre Macht lag nicht bei ihm, sondern bei Enbert Dokkar, dem Leiter der Allianz, und auch bei Benjamin, Valdorians überlebendem Sohn, der mehrmals versucht hatte, seinen eigenen Vater umzubringen – vielleicht war es ihm inzwischen gelungen. Turannen hatte keine Kinder, was er manchmal, bei seltenen Anflügen von Sentimentalität, bedauerte, aber einen Sohn wie Benjamin – verwöhnt, maßlos in seinen Ansprüchen, ein egomanischer Hedonist – wünschte er sich gewiss nicht.
    Lukert Turannen wandte den Blick von den Gemälden ab, trat hinter den Schreibtisch und sah auf die leeren Displays der Konsolen. Zwei oder drei Sekunden lang spielte er mit dem Gedanken, die Geräte einzuschalten und mit einer Dateisuche zu beginnen, aber dann entschied er sich dagegen. Er war kein Datenservo-Spezialist und hielt es für besser, die Auswertung der gespeicherten Daten seinen Fachleuten zu überlassen. Viele der Informationen konnten verwendet werden, um die Position von New Human Design im Innern des Konsortiums zu verbessern, und darin bestand eines seiner Ziele. Noch wichtiger aber war der zukünftige Balanceakt auf dem Drahtseil der Macht, das sich zwischen dem Konsortium und der Allianz spannte. Enbert Dokkar und Benjamin Valdorian beabsichtigten vermutlich, das Konsortium unter sich aufzuteilen, und bestimmt gab es in ihren Plänen für einen dritten Mann keinen Platz. Turannen wollte seinen Weg nach oben fortsetzen, und die veränderten Umstände verlangten nach einer neuen Strategie. Er brauchte Werkzeuge, und eines dieser Instrumente bestand aus den Arsenalplaneten.
    Vor zwanzig Jahren hatten Rungard Avar Valdorian und er einen Vertrag unterzeichnet, der eine enge Zusammenarbeit von New Human Design und der Valdorian-Unternehmensgruppe im Innern des Konsortiums vorsah. Auf diesem Kontrakt basierte ein Projekt, das Cordoban, Chefstratege des Konsortiums, einige Jahre später eingeleitet hatte: Als Gegenleistung für die Übernahme neuer Industrien stellte NHD das Know-how für die Produktion gentechnisch veränderter Soldaten zur Verfügung, die absolut treu, unerschütterlich loyal und jederzeit bereit waren, in den Kampf zu ziehen und sich zu opfern – erbarmungslose

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