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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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ihn insgesamt als gestohlen, und der größte Teil
davon war es auch. Ich betrachtete ihn als eine Anhäufung vom
Besitz anderer Menschen, den ich den unschuldigen Eigentümern geraubt hatte und wofür ich, kurz gesagt, verdient hätte,
in dieser Welt gehängt und in der nächsten verdammt zu
werden. Jetzt begann ich mich ernsthaft als einen Hund zu
hassen, als einen Schuft, der ein Dieb und ein Mörder gewesen
war – als einen Schuft, der sich in einer Lage befand wie noch
keiner vor ihm, denn ich hatte geraubt; und obgleich ich den
Reichtum bei mir hatte, war es unmöglich, ihn jemals zurückzuerstatten, und deshalb setzte ich mir in den Kopf, daß ich
niemals bereuen könne, denn Reue ohne Rückerstattung könne nicht aufrichtig sein und deshalb müsse ich verdammt werden. Es gab kein Entkommen für mich. Ich ging umher, das Gemüt voll von solchen Gedanken, fast wie ein Wahnsinniger; kurz, ich stürzte mich Hals über Kopf in die schrecklichste Verzweiflung und dachte nur noch daran, wie ich mich aus der Welt befördern könne; der Teufel, wenn solcherlei Dinge das unmittelbare Werk des Teufels sind, tat seine Arbeit sehr eifrig bei mir, und ich hatte mehrere Tage lang weiter nichts im Sinn
als nur, mir mit der Pistole eine Kugel in den Kopf zu schießen. Ich führte während dieser ganzen Zeit ein unstetes Leben
unter Ungläubigen, Türken, Heiden und dergleichen Leuten.
Ich hatte keinen Geistlichen, keinen Christen, mit dem ich
sprechen konnte, als nur den bedauernswerten William. Er war
mein geistlicher Berater oder Beichtvater und aller Trost, den
ich besaß. Was meine Kenntnis der Religion betrifft, so hat der
Leser ja meine Geschichte erfahren. Er mag sich vorstellen,
daß sie nicht weit reichte, und was Gottes Wort anbelangt, so
erinnere ich mich nicht, jemals im Leben ein Kapitel aus der
Bibel gelesen zu haben. Ich war wie der kleine Bob in Bussleton und ging zur Schule, um mein Altes und Neues Testament
zu lernen.
Es gefiel Gott aber, William, den Quäker, zu allem für mich
zu machen. Bei dieser Gelegenheit ging ich wie gewöhnlich
eines Abends mit ihm aus und führte ihn in größerer Eile als
sonst hinaus in die Felder; dort teilte ich ihm, um es kurz zu
sagen, mit, in welcher Gemütsverwirrung ich mich befand und
welch furchtbaren Versuchungen des Teufels ich ausgesetzt
war; ich erklärte ihm, ich müsse mich erschießen, denn ich
könne die Last und die Angst, die mich bedrückten, nicht mehr
ertragen.
„Dich erschießen?“ sagte William. „Wieso? Inwiefern wird
dir denn das nützen?“
„Nun, insofern“, sagte ich, „als dann mit meinem elenden
Leben Schluß ist.“
„So“, sagte William, „bist du denn überzeugt davon, daß das
nächste besser sein wird?“
„Nein, nein“, antwortete ich, „ganz gewiß viel schlimmer.“ „Nun, dann hat dir zweifellos der Teufel die Regung eingegeben, dich zu erschießen“, sagte William, „denn es ist eine
teuflische Logik, daß du, weil deine Lage schlecht ist, dich in
eine noch schlechtere bringen mußt.“
Dies versetzte meiner Vernunft tatsächlich einen Stoß. „Ja,
aber“, erwiderte ich, „die elende Lage, in der ich bin, ist doch
unerträglich.“
„Schön und gut“, sagte William, „aber anscheinend läßt sich
eine noch schlimmere ertragen, und deshalb willst du dich
erschießen, damit dir nicht mehr zu helfen ist?“
„Mir ist schon jetzt nicht mehr zu helfen“, antwortete ich. „Woher weißt du das?“ fragte er.
„Ich bin davon überzeugt“, erwiderte ich.
„Nun“, sagte er, „aber sicher bist du dessen nicht, und deshalb willst du dich erschießen, um es mit Sicherheit zu wissen.
Wenn du diesseits des Todes nicht sicher sein kannst, ob du
überhaupt verdammt wirst, wirst du dessen jedoch völlig sicher
sein, sobald du den Schritt auf die andere Seite der Zeit getan
hast, denn wenn der einmal getan ist, kann man nicht mehr
sagen, du wirst verdammt werden, sondern nur noch, du bist
verdammt worden. Aber sag“, fuhr William fort, als spreche er
zwischen Scherz und Ernst, „was hast du eigentlich letzte
Nacht geträumt?“
„Wieso?“ sagte ich. „Ich hatte die ganze Nacht über schreckliche Träume. Vor allem träumte ich, der Teufel käme mich
holen und fragte mich nach meinem Namen, und ich nannte
ihn. Dann fragte er mich, welches Gewerbe ich hätte. ‚Gewerbe?’ sagte ich. ‚Ich bin von Beruf ein Dieb und Schurke, ein
Seeräuber und Mörder und verdiente, gehängt zu werden.’ –
‚Jaja’, sagte der Teufel,

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