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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Tatsache, daß er nun dem Singleton die Abenteuer und Reichtümer Averys zuschrieb, indem er in „Kapitän Singleton“ Kapitän Avery als Nebenfigur auftreten ließ.
    Aus all diesen übernommenen Details und aus den Überlegungen, die er auch in seinen Traktaten sozialer Thematik behandelte, wäre kein Roman geworden, hätte Defoe die erfundene Lebensgeschichte nicht dem Plan unterworfen, den resoluten Abenteurer in unbekannter Natur und feindlicher Umwelt sein Glück machen zu lassen, und hätte er dafür nicht den angemessenen, einheitlichen Ton gefunden. Es ist die Erzählweise eines genau beobachtenden, die Umstände abwägenden, an der Erklärung der Welt interessierten Bürgers seiner Zeit. Ihm erschließt sich die Wirklichkeit über die Sinne und die Vernunft. Die Hauptgestalten läßt er durch Erfahrungen lernen, nach dem einfachen Prinzip von Ursache und Wirkung. Sensationen und Ungeheuerlichkeiten, phantastische Erlebnisse, Gefühlsausbrüche und das Aufbauschen des Nichtalltäglichen haben darin keinen Platz; der einzige Orkan, der Singletons Schiff auf den ausgedehnten Reisen bedroht, wird nur als ein hinderliches Ereignis erwähnt und nicht in seinen Schrecken ausgemalt. Selbst der unvorstellbare Reic htum des Seeräubers, der an den des legendär gewordenen Kapitän Kidd erinnert, wird vorstellbar und meßbar, in Pfund Sterling, in Gewicht an Gold oder Gewürzen, in Ballen von Tuchen und Seiden, in Perlen und Edelsteinen.
    Nun ist der Seeräuber Bob Singleton aber nicht als böser Mensch nach der abstrakten Tugendlehre einfach gegeben. Eingangs hören wir, daß er als Waise weder eine Schulbildung noch irgendeine Erziehung genoß. Herumgestoßen und verkauft wird er, niemand will ihn haben, denn nach den geltenden Niederlassungsgesetzen fielen Waisen den Gemeinden zur Last, die sie demzufolge loswerden wollten. In die Hände der Portugiesen gefallen, durchläuft er eine Schule des Verbrechens. Er bestiehlt den Kapitän, betrügt die Matrosen, so wie sein Herr, der Steuermann, ihn ausnutzt und mißhandelt, und er entdeckt sein Vergnügen an der Unaufrichtigkeit. Als er mit den Kameraden in Madagaskar ausgesetzt wird, wollen sie mit den Eingeborenen einen fairen Handel treiben und sich durchschlagen, doch im Grunde steht Singleton wie die anderen vor der Entscheidung, die ihm durch den Kopf geht: zu verhungern oder Seeräuber zu werden, was soviel heißt wie, sein Leben im Kampf oder am Galgen vorzeitig zu beenden.
    Defoe bringt beides ins Spiel: die situationsbedingten Notwendigkeiten wie den Charakter des jungen Mannes, dessen Kaltherzigkeit er mehrfach hervorbrechen läßt. Dennoch versagt er ihm seine Sympathie nicht ganz, und das nicht nur, weil er ihn doch am Schluß sein Schäfchen ins trockene bringen läßt. Bob Singleton erweist sich nämlich als sehr anstellig, von schneller Auffassungsgabe, geschickt und mutig. Die Seeleute erkennen auch bald seine Fähigkeit, Menschen zu führen, und ernennen ihn zum Chef und Kapitän. Diesen Aufstieg verdankt er weder Reichtum noch Rang noch Protektion, wie das im zivilen Leben wäre; nein, die Ausgestoßenen verfahren demokratisch und wählen den Besten, nach der Leistung.
    In Afrika sehen sie sich den unbekannten Gefahren eines unbekannten Erdteils ausgesetzt. Für die Schilderung des Trecks durch das Innere des schwarzen Kontinents konnte Defoe übrigens keine Berichte zu Rate ziehen: Afrika war zu seiner Zeit noch nicht durchquert worden. Es gab Karten mit weißen Flecken und unterschiedlichen Angaben über die Lage der zentralen Seen, und es lagen Aussagen über Begegnungen mit Negern vor. Daß er auf der Grundlage dieser Angaben und der Erzählungen von Seeleuten diese Expedition von Moza mbique zur Goldküste als einen kühnen Plan und eine glaubhafte und noch kühnere Unternehmung zu gestalten vermochte, macht ihn zu einem großen Prosadichter.
    Den Afrikanern gegenüber verhalten sich die Europäer je nach ihren eigenen Bedürfnissen und nach deren Friedfertigkeit. Entsprechend Singletons Vorschlag nehmen sie Sklaven, weil sie ohne Sklavendienste, ohne die Treue, Ausdauer und Findigkeit der gefange nen Neger die Westküste nie erreichen würden. Als ihnen dann das Gold buchstäblich zu Füßen liegt, wollen sie etwas mitnehmen, doch der Hauptgedanke ist der, nach Hause zurückzukehren – obwohl Singleton persönlich kein Zuhause besitzt. Der „zivilisierte“ Engländer, den sie im Herzen Afrikas der Einsamkeit entreißen, ist bestürzt über

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