Dämonenfalle Rom
Die alte Frau war allein in der Kirche. Hinter dem Eingangsportal blieb sie für einen Moment stehen, hob den Kopf und schaute den Mittelgang zwischen den beiden Bankreihen bis zum Altar entlang hinter dem das große Holzkreuz alles überragte.
Als sie es mit ihren Blicken erfaßte, da durchlief ein Beben ihre Gestalt, und der schmale Mund mit den dünnen Lippen verzog sich zu einem feinen Lächeln.
Das Kreuz der Hoffnung das Zeichen des Sieges. Mochten die Zeiten auch noch so schlecht sein, keiner konnte es besiegen, obwohl es seit 2000 Jahren versucht wurde.
Signora Fächetti bekreuzigte sich. Sie hatte zuvor zwei Fingerspitzen in das mit Weihwasser gefüllte Becken getaucht und spürte jetzt die Kühle der Tropfen auf ihrer faltigen Haut.
Jeden Tag besuchte sie die kleine Kirche, die ihr zweites Zuhause geworden war. Sie betete für sich, für ihren verstorbenen Mann, für die Kinder, die Rom alle verlassen hatten, um woanders Arbeit zu finden, und sie betete für die Welt.
Wenn Fremde die Kirche betraten, bezeichneten sie das Gotteshaus als kleines Kunstwerk Zwei Kriege hatte sie überdauert, stand wie ein Fels in der Brandung der Zeit und bot den Gläubigen Schutz. Die Wand-und Deckenmalereien setzten sich aus vielen kleinen Kunstwerken zusammen. Da hatte ein wahrer Meister den Pinsel geführt, und auch die beiden Beichtstühle an den Seiten sowie die Sitzbänke zeugten von meisterhafter Schnitzkunst.
Ein hefer Atemzug entrang sich der Brust der Frau. Sie zog das dunkle Tuch fester um den Kopf, als sie die nächsten Schritte vorging und ihren Platz ansteuerte.
Er lag vorn. Sie kniete sich immer in die erste Bankreihe rechts vom Altar. Dort verging dann die stille Stunde im Gebet. Schmale Fenster unterbrachen das Mauerwerk. Sie besaßen bunte Scheiben, aus Einzelstücken zusammengefügt, die ein unregelmäßiges geometrisches Muster bildeten.
Zwar drang das matte Tageslicht hindurch, es wurde allerdings stark gefiltert, so daß im Innern der Kirche ein permanentes Dämmerlicht herrschte.
Signora Fachetti hielt den Kopf gesenkt und die Hände gefaltet. Obwohl sie den Weg in die Kirche täglich ging und jeden Stein auf dem Boden kannte, hatte sie am heutigen Tage ein anderes Gefühl. Bei ihrem Eintritt schon hatte sie dies feststellen können, es war über sie gekommen wie ein Schauer, und sie suchte verzweifelt nach dem Grund, ohne ihn jedoch finden zu können.
Es lag etwas in der Luft…
Eigentlich hatte sie mit dem Pfarrer sprechen wollen. Er hätte sie vielleicht verstanden, denn dieses Gefühl war nicht zum erstenmal wie ein plötzlicher Sturmwind über sie gekommen. Signora Fachetti kannte es sehr gut. Als ihr Mann starb, da hatte sie es ebenfalls erlebt. Zwei Tage vor seinem Tod wußte sie Bescheid, daß er sterben würde. Was würde demnächst geschehen?
Sie dachte an ihre Söhne. Drei waren es. Ob sie sich in Gefahr befanden und ihnen etwas zustieß? Signora Fachetti verspürte Angst, und sie beschloß, an diesem Tage besonders intensiv zu beten. An der ersten Bankreihe blieb sie stehen. Der schmale Mund zuckte. Sie spürte ein trockenes Gefühl in der Kehle und hörte ihr schwaches Herz laut schlagen.
Vorsichtig hob sie einen Fuß an und setzte ihn auf das Holz in der Bankreihe. Auf Zehenspitzen schob sie sich ein Stück weiter, denn die dumpfen Laufgeräusche empfand sie in der herrschenden Stille als störend.
Die Bänke bestanden aus schwarz gebeiztem Holz. Obwohl die Signora bereits eine alte Frau war, ließ sie es sich nicht nehmen und fiel auf die Knie.
Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich hinzustellen oder zu setzen. Demut hatte ihr Leben stets begleitet und würde bis zum Tod auch nicht von ihrer Seite weichen.
Schwer stützte sie die Arme auf, hielt die gefalteten Hände hoch und schaute auf den Altar. Schmucklos lag er vor ihren Augen. Kein prunkvoller oder protziger Opferstein. Der Tabernakel hatte dort seinen Platz gefunden, eine Kerze ebenfalls, außerdem ein Strauß Frühlingsblumen.
Das Licht der Kerze brannte ruhig, ein Zeichen, daß kein Durchzug in der Kirche herrschte.
Signora Fachetti senkte den Kopf. Ihre Lippen bewegten sich dabei, flüsternd drangen die bittenden Worte aus ihrem Mund, und sie wartete darauf, einzutauchen in die Trance des Gebets, wie es an jedem Tag der Fall war.
Heute nicht. Signora Fachetti zeigte sich verwirrt. Sie schüttelte den Kopf, zwinkerte mit den Augen, holte tief Atem, um sich zu konzentrieren, aber sie schaffte es
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