Kapitän Singleton
würden, und deshalb füllten wir aus Furcht vor dem Schlimmsten unsere Beutel oder Blasen mit Trinkwasser. Unser Weg führte uns so drei Tage lang ständig bergan, und dann bemerkten wir plötzlich, daß wir uns, obgleich wir nur allmählich emporgestiegen waren, auf dem Kamm eines hohen Gebirges befanden, wenn es auch nicht so hoch war wie das erste.
Als wir auf der anderen Seite der Berge hinabblickten, sahen wir zu unserer Herzensfreude, daß die Wüste zu Ende, das Land von Grün bedeckt, mit vielen Bäumen bewachsen und von einem großen Fluß durchströmt war. Wir zweifelten nicht daran, daß wir dort Menschen und auch Vieh antreffen würden. Bis hierher waren wir nach Berechnung unseres Geschützme isters, der unsere Standortbestimmungen vornahm, etwa vierhundert Meilen weit durch diesen öden Ort des Schreckens marschiert, wir hatten dazu vierunddreißig Tage gebraucht und jetzt ungefähr elfhundert Meilen unserer Reise zurückgelegt.
Wir wären gern noch in derselben Nacht die Berge hinabgestiegen, aber es war schon zu spät. Am nächsten Morgen sahen wir alles deutlicher und ruhten unter dem Schatten einiger Bäume aus, die jetzt das Erholsamste waren, das wir uns vorzustellen vermochten, da wir mehr als einen Monat ohne einen schattenspendenden Baum in der glühenden Hitze verbracht hatten. Wir fanden das Land hier sehr angenehm, besonders in Anbetracht dessen, woher wir kamen, und wir erlegten wieder einige Re he, die im Schutz des Waldes sehr zahlreich waren. Wir schossen auch ein Tier, das einer Ziege glich und dessen Fleisch uns sehr gut schmeckte, es war jedoch keine Ziege. Wir trafen gleichfalls viele Vögel an, die wie Rebhühner aussahen, aber etwas kleiner und sehr zahm waren, so daß wir hier sehr gut lebten. Menschen fanden wir jedoch nicht, jedenfalls keine, die sich sehen ließen, und das mehrere Tage lang; und um unsere Freude zu dämpfen, störten uns fast jede Nacht Löwen und Tiger; Elefanten aber gewahr ten wir hier nicht.
Nach drei Tagen Marsch kamen wir zu einem Fluß, den wir von den Bergen aus gesehen hatten und den „Goldenen Fluß“ nannten; wir stellten fest, daß er nach Norden floß, und zum erstenmal waren wir an einen Fluß gelangt, wo dies der Fall war. Er hatte eine sehr starke Strömung, und unser Geschützmeister holte seine Karte hervor und versicherte mir, es sei entweder der Nil oder aber er fließe in den großen See, in dem, wie man sagt, der Nil seinen Ursprung hat. Er breitete seine Tabellen und Karten aus, auf denen ich mich dank seiner Unterweisung jetzt sehr gut zurechtzufinden begann, und erklärte, er werde mich davon überzeugen. Er machte es mir auch tatsächlich so deutlich, daß ich ihm zustimmte.
Ich begriff jedoch keineswegs den Grund, weshalb der Geschützmeister diese Untersuchung vornahm, nein, nicht im geringsten, bis er fortfuhr und sie folgendermaßen erklärte: „Wenn das der Nil ist, warum dann nicht wieder Kanus bauen und stromabwärts fahren, anstatt uns von neuem der Wüste und dem brennenden Sand auszusetzen, auf der Suche nach dem Meer, von wo aus wir, wenn wir erst einmal dort sind, ebensowenig wissen, wie wir heimkommen sollen, wie von Madagaskar?“
Das Argument hätte sich hören lassen können, wenn es nicht Einwendungen dagegen von einer Art gegeben hätte, die keiner von uns zu widerlegen vermochte: Im ganzen war es aber ein Unternehmen, das wir alle für undurchführbar hielten, und zwar aus mehreren Gründen, und unser Schiffsarzt, der selbst ein recht gebildeter und belesener Mann war, wenn er auch vom Segeln nichts verstand, wandte sich dagegen. Einige seiner Gründe waren, wie ich mich erinnere, folgende: erstens, die Entfernung, die – nach seinen wie auch nach des Geschützmeisters Angaben – auf dem Wasserwege mit allen Windungen des Flusses mindestens viertausend Meilen betrage; zweitens, die unzähligen Krokodile im Fluß, denen wir niemals entgehen könnten; drittens, die schrecklichen Wüsten auf dem Weg; und schließlich die sich nähernde Regenzeit, in welcher der Nil und seine Nebenge wässer so reißend würden und so anschwöllen, daß sie weit und breit die ganze Ebene überfluteten und wir nicht feststellen könnten, wann wir uns im Flußbett befänden und wann nicht. Wir würden ganz gewiß schiffbrüchig, das Boot müsse kentern oder so häufig auf Grund laufen, daß es unmöglich würde, auf einem so außerordentlich gefährlichen Fluß weiterzufahren.
Den letzten Einwand brachte er so einleuchtend vor,
Weitere Kostenlose Bücher