Kapitän Singleton
willst“, sagte er, „nach Hause in dein Land, wenn du willst.“ –
„Wie soll ich denn dorthin kommen?“ erwiderte ich. „Wieso, hast du keine Freunde?“ sagte er. „Nein“, antwortete ich, „auf der ganzen Welt nur diesen Hund dort“, und ich zeigte auf den Schiffshund (der kurz zuvor ein Stück Fleisch gestohlen und in meine Nähe geschleppt hatte; ich hatte es genommen und gegessen), „denn er hat sich als guter Freund gezeigt und mir mein Essen gebracht.“
„So, so“, sagte er, „dein Essen mußt du freilich haben. Willst du mit mir gehen?“
„Ja“, erwiderte ich, „von Herzen gern.“
Kurz, der alte Steuermann nahm mich mit sich nach Hause und behandelte mich ziemlich gut, wenn mein Schicksal auch recht hart war, und ich lebte ungefähr zwei Jahre bei ihm.
Während der Zeit bewarb er sich um einen Posten in seinem Beruf und wurde schließlich Erster Steuermann unter Don Garcia de Pimentesia de Carravallas, dem Kapitän einer portugiesischen Galione oder Karake, die nach Goa in Ostindien fuhr, und sobald er sein Patent erhalten hatte, brachte er mich an Bord, damit ich seine Kabine in Ordnung hielt, in der er sich mit reichlich alkoholischen Getränken, Süßigkeiten, Zucker, Gewürzen und anderen Dingen als Annehmlichkeiten für seine Reise eingerichtet hatte, und später brachte er darin eine beträchtliche Menge europäischer Waren unter, feine Spitzen und Leinen sowie auch Flanell, Wollstoffe, Tuche und dergleichen, unter dem Vorwand, es sei zu seiner Bekleidung.
Ich war zu neu im Fach, um ein Logbuch von dieser Reise zu führen, obwohl mein Herr, der für einen Portugiesen ein beträchtlicher Könner war, mich dazu anregte; aber die Tatsache, daß ich die Sprache nicht verstand, war ein Hinder-9
nis, zumindest diente sie mir als Entschuldigung. Nach einiger Zeit begann ich mir jedoch seine Tabellen und Bücher anzusehen, und da ich eine ganz ordentliche Handschrift hatte, etwas Latein verstand und anfing, mir einige Grundkenntnisse der portugiesischen Sprache anzueignen, begann ich auch, ein oberflächliches Wissen der Navigation zu erlangen, das jedoch nicht genügte, um mich durch ein Abenteurerleben zu steuern, wie das meine es werden sollte. Kurz, ich lernte bei dieser Reise unter den Portugiesen einige wesentliche Dinge; vor allem lernte ich, ein durchtriebener Dieb und ein schlechter Seemann zu sein, und ich glaube, ich kann sagen, daß sie unter allen Völkern der Welt für beides die geeignetsten Lehrer sind.
Wir fuhren nach Ostindien, entlang der Küste von Brasilien –
nicht als hätte sie auf unserer Segelroute gelegen, aber unser Kapitän fuhr – entweder auf eigenen Wunsch oder auf Anord-nung der Kaufherren – zuerst dorthin, und wir löschten in der Allerheiligenbai oder am Rio de Todos los Santos, wie sie sie in Portugal nennen, fast hundert Tonnen Waren und luden eine beachtliche Menge Gold sowie einige Kisten Zucker und siebzig oder achtzig große Ballen Tabak, von denen jeder mindestens einen Zentner wog.
Hier wohnte ich auf Befehl meines Herrn an Land und versah die Geschäfte des Kapitäns, denn er hatte gesehen, daß ich für meinen Herrn sehr eifrig tätig war, und als Entgelt für sein unangebrachtes Vertrauen fand ich Gelegenheit, von dem Gold, das die Händ ler an Bord sandten, etwa zwanzig Moidors beiseite zu bringen, das heißt zu stehlen, und dies war mein erstes Abenteuer.
Von dort zum Kap der Guten Hoffnung hatten wir eine ganz erträgliche Fahrt, und ich stand im Ruf, meinem Herrn ein sehr emsiger und sehr treuergebener Diener zu sein. Emsig war ich wirklich, aber keineswegs ehrlich, dafür hielten sie mich aber, und das war, nebenbei gesagt, ihr großer Irrtum. Auf Grund ebendieses Irrtums fand ich die besondere Zuneigung des 10
Kapitäns, und er beauftragte mich häufig mit seinen eigenen Geschäften; zur Belohnung meines rührigen Fleißes erwies er mir mehrmals Gunstbezeigungen. So wurde ich ausdrücklich auf Befehl des Kapitäns zu einer Art Steward ernannt, der dem Schiffssteward unterstand, und war zuständig für die Verpflegung, die der Kapitän für seinen eigenen Tisch forderte. Er hatte außerdem noch einen zweiten Steward für seine privaten Vorräte; mein Amt betraf jedoch nur das, was der Kapitän von den Schiffsvorräten für seine private Benutzung entnahm.
Auf diese Weise hatte ich aber Gelegenheit, den Diener meines Herrn besonders gut zu betreuen und mich mit genü-
gend Proviant zu versorgen, um besser zu leben als die
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