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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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waren, kamen wir in ein merkwürdiges, wildes Land, das uns ein wenig zu ängstigen begann, denn obgleich es keine Wüste mit glühendheißem Sand war, wie wir sie zuvor durchquert hatten, war es doch bergig, kahl und voller entsetzlich wilder Tiere – mehr als irgendein anderes Gebiet, durch das wir gekommen waren. Auf dem Boden wuchs eine Art derbes Gras, hier und da standen ein paar Bäume oder eher Büsche. Menschen vermochten wir jedoch nicht zu entdecken, und wir begannen uns wegen unserer Nahrung große Sorgen zu machen, denn wir hatten schon lange kein Reh erlegt, sondern
    – immer in der Nähe des Ufers – hauptsächlich von Fisch und Geflügel gelebt, die uns jetzt beide zu verlassen schienen.
    Unsere Bestürzung war um so größer, als wir uns hier keinen Vorrat anlegen konnten, wie wir es zuvor getan hatten, um damit voranzukommen; wir waren vielmehr gezwungen, uns mit spärlichen Beständen auf den Weg zu machen, ohne die Gewißheit, sie auffüllen zu können.
    Es blieb uns jedoch nichts weiter übrig, als Geduld zu üben, und nachdem wir ein paar Vögel geschossen und einige Fische 136
    getrocknet hatten, so viele, wie uns bei knappen Rationen schätzungsweise fünf Tage reichen mußten, beschlossen wir, uns weiterzuwagen, und wir wagten es; wir hatten auch allen Grund, uns vor der Gefahr zu fürchten, denn wir zogen die fünf Tage durch das Land und fanden weder einen Fisch noch Geflügel noch irgendein vierfüßiges Getier, dessen Fleisch eßbar gewesen wäre, und lebten in schrecklicher Angst vor dem Verhungern. Am sechsten Tag fasteten wir beinahe, oder, wie man sagen könnte, wir aßen die Reste von allem, was übriggeblieben war, und legten uns am Abend bedrückt und ohne Abendbrot auf unsere Matten nieder; am achten Tag waren wir gezwungen, einen unserer Büffel, die uns so treu gedient und unser Gepäck getragen hatten, zu schlachten. Das Fleisch dieses Tieres war sehr gut, und wir aßen so sparsam davon, daß es für uns alle dreieinhalb Tage reichte. Es war gerade zu Ende und wir wollten schon wieder einen Büffel töten, als wir vor uns ein Gebiet erblickten, das Besseres versprach, denn es war mit hohen Bäumen bewachsen, und mitten hindurch zog sich ein großer Fluß.
    Dies ermutigte uns, und wir beschleunigten unseren Marsch zum Flußufer, wenn auch mit leerem Magen und sehr ermattet und schwach; bevor wir jedoch an den Fluß kamen, hatten wir das Glück, auf ein paar junge Rehe zu stoßen – ein schon lange herbeigesehntes Ereignis. Kurz gesagt, nachdem wir drei davon erlegt hatten, machten wir halt, um uns den Bauch zu füllen, und ließen das Fleisch gar nicht erst erkalten, bevor wir es aßen
    – ja wir hatten sogar Mühe, uns die Zeit zu nehmen, es zu töten und nicht lebendig aufzuessen, denn wir waren, mit einem Wort, am Verhungern.
    In jenem ganzen unwirtlichen Land hatten wir ständig Lö-
    wen, Tiger, Leoparden, Zibetkatzen und jederlei Arten von Bestien gesehen, die wir nicht kannten; wir trafen keine Elefanten, erblickten aber hin und wieder einen Elefantenzahn, 137
    der auf dem Boden lag, und manche davon waren schon halb vergraben, so lange hatten sie dort gelegen.
    Als wir an das Ufer dieses Flusses gelangten, stellten wir fest, daß er gleichfalls nach Norden floß, wie es die übrigen Wasserläufe getan hatten, aber mit dem Unterschied, daß die anderen nach Nord zu Ost oder Nordnordost geflossen waren, dieser jedoch Kurs auf Nordwest zu Nord hielt.
    Auf dem jenseitigen Ufer sahen wir einige Anzeichen von Bewohnern, begegneten jedoch am ersten Tag keinem; am nächsten aber gelangten wir in eine bewohnte Gegend, wo die Menschen schwarz waren und splitternackt gingen, ohne sich zu schämen, Männer wie Frauen.
    Wir machten ihnen Zeichen der Freundschaft und fanden in ihnen sehr offenherzige, höfliche, freundliche Leute. Sie kamen ohne jeden Argwohn zu unseren Negern und gaben uns auch keinen Anlaß, sie irgendeiner Schuftigkeit zu verdächtigen, wie es die anderen getan hatten. Wir machten ihnen Zeichen, daß wir Hunger hatten, und sogleich rannten ein paar nackte Frauen davon und holten uns große Mengen von Wurzeln und Dingen, die aussahen wie Kürbisse und die wir ohne Scheu aßen; unser Kunsthandwerker zeigte ihnen ein paar Stücke von dem Tand, den er angefertigt hatte, einige aus Eisen, einige aus Silber, aber keine aus Gold. Sie hatten genügend Urteilskraft, die silbernen den eisernen vorzuziehen, als wir ihnen aber etwas Gold zeigten, sahen wir, daß sie es

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