Kapitän Singleton
einen oder der anderen Sorte an unserem kleinen Lager vorbeiziehen zu sehen; jedesmal wenn sie das Feuer erblickten, wichen sie vor ihm aus, sobald sie aber vorbei waren, heulten oder brüllten sie, oder was immer die Laute waren, die sie von sich gaben.
Die Musik ihrer Stimmen klang alles andere als angenehm in unseren Ohren, und manchmal störte sie uns so, daß wir ihretwegen nicht schlafen konnten; oft riefen uns, die wir munter waren, auch unsere Wachen, damit wir hinauskämen und sie uns ansähen. In einer bewegten, stürmischen Nacht nach einem Regentag weckten sie uns sogar aus dem Schlaf, denn eine so zahllose Menge teuflischer Geschöpfe lief auf uns zu, daß unsere Wachen wirklich dachten, sie würden uns angreifen. Sie kamen nicht auf die Seite, wo sich das Feuer befand, und obwohl wir uns sonst überall für sicher hielten, 129
erhoben wir uns doch und griffen zu den Waffen. Es war fast Vollmond, aber über den ganzen Himmel jagten Wolken, und ein gewaltiger, orkanhafter Sturm erhöhte die Schrecken der Nacht. Ich blickte zu dem hinteren Teil unseres Lagers hinüber und glaubte, innerhalb unserer Befestigung ein Tier zu sehen, und dort befand es sich auch tatsächlich, bis auf seine Beine, denn es war vermutlich mit einem Anlauf gesprungen und hatte sich mit ganzer Kraft glatt über unsere Palisaden geworfen, außer über einen großen Pfahl, der höher als die übrigen emporragte und es auffing, und durch sein Gewicht hatte es sich darauf aufgespießt. Die Spitze des Pfahls war ihm durch die Innenseite des Hinterschenkels oder der Hüfte gedrungen, und daran hing es nun und biß knurrend und wütend in das Holz. Ich entriß einem Neger, der unmittelbar neben mir stand, eine Lanze, rannte auf die Bestie zu, stach drei- oder viermal hinein und tötete sie, da ich nicht schießen wollte, denn ich beabsichtigte, eine Salve auf die übrigen abgeben zu lassen, die ich draußen so dicht gedrängt stehen sah wie eine Ochsenher-de, die zum Markt getrieben wird. Ich rief sogleich unsere Leute heraus, zeigte ihnen den Gegenstand der Furcht, den ich erblickt hatte, und ohne weitere Beratung feuerten wir eine Salve auf sie ab. Die meisten unserer Flinten waren jeweils mit zwei, drei Metallklumpen oder Kugeln geladen. Sie verursachten einen furchtbaren Wirrwarr unter ihnen, und so ziemlich alle machten sich aus dem Staub; wir konnten jedoch beobachten, daß einige mit größerer Würde und Majestät davonstolzier-ten als die übrigen, da der Lärm und das Feuer sie nicht so erschreckt hatte. Wir sahen etliche, die anscheinend mit dem Tode rangen, auf dem Boden liegen, wagten uns jedoch nicht hinaus, um nachzusehen, was für Tiere es waren.
Die Bestien hatten tatsächlich so dicht beieinander und in so kurzer Entfernung von uns gestanden, daß wir nicht umhin-konnten, einige von ihnen zu erlegen oder doch zu verwunden.
Vermutlich hatten sie sowohl uns als auch das Wild, das wir 130
erbeutet hatten, gewittert, denn am Tage zuvor hatten wir ein Reh sowie drei oder vier jener ziegenähnlichen Tiere geschossen und einige der Abfälle hinter unser Lager geworfen. Wir nahmen an, daß dies sie so stark angezogen hatte; danach aber vermieden wir es.
Obwohl die Bestien geflohen waren, hörten wir doch die ganze Nacht über ein fürchterliches Gebrüll von dem Fleck, wo sie sich aufgehalten hatten, und wir vermuteten, daß es von einigen verwundeten Tieren herrührte. Sobald es tagte, gingen wir hinaus, um nachzusehen, welche Verheerungen wir angerichtet hatten. Der Anblick war dann auch wirklich erstaunlich: Drei Tiger und zwei Wölfe lagen tot da, abgesehen von der Bestie, die ich innerhalb unserer Palisade erlegt hatte und die anscheinend eine häßliche Kreuzung zwischen einem Tiger und einem Leoparden war. Außerdem befand sich dort ein noch lebender, majestätischer alter Löwe, dessen beide Vorderbeine jedoch zerschmettert waren, so daß er sich nicht fortzubewegen vermochte; er hatte sich fast zu Tode gequält, indem er sich die ganze Nacht über abgekämpft hatte, und wir stellten fest, daß dies der Verwundete war, der so laut gebrüllt und uns soviel Störung verursacht hatte. Unser Schiffsarzt sah ihn sich an und lächelte. „Wenn ich sicher sein könnte“, sagte er, „daß mir dieser Löwe ebenso dankbar wäre wie einer der Vorfahren Seiner Majestät es Androklus, dem römischen Sklaven, gegenüber war, dann würde ich ganz gewiß seine beiden Beine schienen und ihn wieder heilen.“ Ich hatte die
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