Kapitän Singleton
verhindern konnten, daß aber unser Hauptanliegen sei, uns mit sowenig Schlägen wie nur möglich Geld zu beschaffen. So verzichteten wir auf dieses Abenteuer und hielten wieder Kurs nach Süden entlang der Küste auf den Rio de la Plata zu, denn wir hofften dort auf einige Beute; insbesondere hatten wir unser Augenmerk auf ein paar der spanischen Schiffe aus Buenos Aires gelenkt, die gewöhnlich sehr reich an Silber sind, und wenn wir eins davon erobert hätten, wäre das ein gutes Geschäft für uns gewesen. Wir segelten dort bei… Grad südlicher Breite fast einen Monat lang umher, und nichts bot sich. Nun begannen wir miteinander zu beraten, was wir als nächstes unternehmen sollten, denn wir hatten noch keinen Entschluß gefaßt. Meine Absicht war tatsächlich nach wie vor, zum Kap der Guten Hoffnung und dann weiter nach Ostindien zu segeln. Ich hatte einige in glühenden Farben gemalte Berichte über Kapitän Avery und die großartigen Dinge gehört, die er in Indien vollbracht haben sollte und die zu doppelt und dreifacher und schließlich zu zehntausendfacher 197
Dimension aufgebauscht wurden – und zwar hörten wir über die Tatsache, daß er im Golf von Bengalen große Beute machte, als er eine Dame gefangennahm, von der es hieß, sie sei die Tochter des Großmoguls, und die eine riesige Menge Juwelen mit sich führte, folgende Geschichte: er hätte ein Mogulschiff, so nannten es die unwissenden Seeleute, das mit Diamanten beladen war, erbeutet.
Mir wäre lieb gewesen, Freund Williams Rat darüber, wohin wir segeln sollten, zu hören, aber er wich stets mit irgendeiner Quäkerspitzfindigkeit aus. Kurz, er hatte keine Lust, uns irgendwohin zu lenken; ob er sich nun ein Gewissen daraus machte oder ob er nicht Gefahr laufen wollte, daß man es ihm später vorhielte, weiß ich nicht. Zuletzt aber faßten wir unseren Entschluß ohne ihn. Wir brauchten jedoch ziemlich viel Zeit dazu, und es gelüstete uns eine ganze Weile nach dem Rio de la Plata. Schließlich sichteten wir luvwärts ein Segel, und zwar eins, wie es, so glaubte ich, in diesen Breiten schon lange nicht mehr aufgetaucht war. Ich wollte nicht, daß wir Jagd darauf machten, denn es hielt gerade auf uns zu, so gut wie die Leute, die es steuerten, das fertigbrachten, und selbst dies war eher ein Zufall des Wetters als sonst irgend etwas, denn wenn der Wind umgesprungen wäre, dann hätte das Schiff mit ihm laufen müssen. Ich überlasse es jedem, der Seemann ist oder auch nur das Geringste von Schiffen versteht, zu beurteilen, welches Bild dieses Fahrzeug bot, als wir es zuerst zu Gesicht bekamen, und welche Vorstellung wir wohl von dem hatten, was darauf geschehen sein mochte. Die Großmarsstenge war etwa sechs Fuß über dem Spill über Bord heruntergekommen und vornüber gefallen, und die Spitze der Bramstenge hing beim Stag in den Fockwanten; gleichzeitig hatte das Rack der Kreuzmarsrah durch irgendein Ereignis nachgegeben, und die Kreuzmarsbrassen (deren stehendes Gut an den Wanten des Großmarssegels festhing) hatten das Kreuzmarssegel mitsamt der Rah mit sich heruntergerissen, und es breitete sich wie ein 198
Sonnendeck über einen Teil des Achterdecks; das Vormarssegel war auf zwei Drittel des Mastes gesetzt, die Schoten waren jedoch nicht belegt. Die Fockrah war auf das Vorderdeck gefiert, die Segel lose, und sie hingen zum Teil über Bord. Auf diese Weise näherte sich uns das Schiff mit einer Backstagsbri-se. Mit einem Wort, der Eindruck, den das ganze Schiff machte, war für Leute, die etwas von der Seefahrt verstehen, so bestürzend wie nur möglich. Es führte kein Boot mit sich und hatte auch keine Flagge gehißt.
Als wir in seine Nähe kamen, feuerten wir eine Kanone ab, um es zum Beidrehen zu veranlassen. Es nahm davon keine Notiz, und auch nicht von uns, sondern lief weiter wie zuvor auf uns zu. Wir gaben von neuem Feuer, aber wieder ohne Erfolg. Endlich gelangten wir in Pistolenschußweite voneina nder, aber niemand antwortete, und niemand erschien; so begannen wir zu glauben, es sei ein in Seenot geratenes Schiff, das irgendwo gelandet und dann von seiner Mannschaft verlassen worden sei; später habe die Flut es dann wieder flottgemacht und aufs Meer hinausgeschwemmt. Als wir näher heran gelangten, liefen wir in solcher Nähe längsschiffs, daß wir im Innern des Fahrzeugs ein Geräusch hören und durch die Bullaugen sehen konnten, daß sich mehrere Menschen darin bewegten.
Daraufhin bemannten wir zwei Boote mit
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