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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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gutbewaffneten Leuten und befahlen ihnen, möglichst gleichzeitig an Bord des Schiffs zu gehen, wobei die vom ersten Boot auf der einen Seite bei der vorderen Ankerkette und die vom zweiten mittschiffs auf der anderen Seite entern sollten.
    Sobald sie an die Bordwand gelangten, erschienen auf Deck überraschend viele schwarze Matrosen, wenn man sie so nennen kann, und jagten unseren Leuten, mit einem Wort, einen solchen Schrecken ein, daß das Boot, dessen Insassen mittschiffs an Bord gehen sollten, wieder ablegte und sie nicht wagten, das Schiff zu entern, während diejenigen, die vom 199
    anderen Boot aus an Bord gingen und feststellten, daß das erste Boot, wie sie glaubten, abgewehrt und das Schiff voller Menschen war, alle in ihr Fahrzeug zurücksprangen und ablegten, da sie nicht wußten, was geschehen war. Nun machten wir uns bereit, eine Breitseite auf das Schiff abzugeben; unser Freund William aber belehrte uns auch hier wieder eines Besseren, denn anscheinend erriet er früher als wir, was geschehen war. Er kam zu mir (unser Schiff war es nämlich, das sich dem anderen genähert hatte) und sagte:
    „Freund, ich bin der Meinung, daß du in dieser Sache unrecht hast, und auch deine Leute haben sich falsch verhalten. Ich will dir sagen, wie du dieses Schiff nehmen kannst, ohne diese Dinger zu benutzen, die man Kanonen nennt.“ – „Wie sollte das möglich sein, William?“ fragte ich. „Nun“, antwortete er,
    „du kannst es mit deinem Ruder nehmen; du siehst doch, daß es überhaupt nicht steuerfähig gehalten ist, und du siehst auch, in welchem Zustand es sich befindet. Leg auf der Leeseite an seinem Achterschiff an und entere vom Schiff aus. Ich bin überzeugt, dann wirst du es ohne Kampf einnehmen, denn irgendein Unheil, von dem wir nichts wissen, hat dieses Schiff betroffen.“
    Um es kurz zu sagen, da die See ruhig war und kaum ein Wind wehte, befolgte ich seinen Rat und legte längsschiffs an.
    Sofort enterten unsere Leute das große Fahrzeug und fanden dort über sechshundert Neger, Männer und Frauen, Knaben und Mädchen, aber nicht einen einzigen Christen oder Weißen an Bord.
    Mich packte bei dem Anblick Entsetzen, denn ich schloß sogleich, wie es auch teilweise der Fall war, daß diese schwarzen Teufel sich losgemacht, alle Weißen ermordet und sie ins Meer geworfen hatten; und sobald diese Vermutung meinen Leuten gegenüber ausgesprochen war, gerieten sie dermaßen in Wut, daß ich alle Mühe hatte, meine Männer davon zurückzu-halten, die Neger sämtlich in Stücke zu schneiden. William 200
    setzte sich jedoch mit vielen überzeugenden Worten bei ihnen durch, indem er ihnen sagte, die Schwarzen hätten nichts anderes getan als das, was sie gleichfalls täten, wenn sie sich in deren Lage befänden und Gelegenheit dazu hätten; den Negern sei wirklich die höchste Ungerechtigkeit widerfahren, daß man sie ohne ihre Einwilligung als Sklaven verkaufte, das Gesetz der Natur selbst diktiere ihnen ihr Verhalten, und sie sollten sie nicht töten, denn das hieße vorbedachter Mord.
    Dies überzeugte sie und kühlte ihren ersten hitzigen Zorn ab; so schlugen sie nur zwanzig oder dreißig nieder, und alle übrigen rannten – wie wir vermuteten, in dem Glauben, ihre ersten Herren seien zurückgekehrt – unter Deck, wo sie sich zuerst aufgehalten hatten.
    Danach sahen wir uns vor außerordentlich großen Schwierigkeiten, denn wir konnten uns ihnen nicht mit einem Wort verständlich machen und verstanden auch selbst kein Wort von dem, was sie sagten. Wir bemühten uns durch Zeichen um Auskunft, woher sie kamen, sie vermochten sie jedoch nicht zu deuten. Wir zeigten auf die Kajüte, die Hütte, die Kombüse und dann auf unsere Gesichter, um sie zu fragen, ob sie keine Weißen an Bord gehabt hätten und wohin diese verschwunden seien, sie verstanden jedoch nicht, was wir meinten. Sie hingegen wiesen auf unser Boot und auf ihr Schiff und stellten, so gut sie konnten, Fragen, sagten tausenderlei Dinge und drückten sich mit großem Ernst aus, uns war aber nichts von all dem verständlich, und wir wußten nicht, was ihre Zeichen zu bedeuten hatten.
    Wir waren uns sehr wohl darüber im klaren, daß irgendwelche Europäer sie als Sklaven an Bord des Schiffes gebracht hatten. Wir konnten ohne weiteres feststellen, daß das Schiff in Holland gebaut, aber sehr verändert worden war, denn es hatte
    – vermutlich in Frankreich – Aufbauten erhalten, da wir zwei, drei französische Bücher an Bord und später

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