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Kapitän Singleton

Kapitän Singleton

Titel: Kapitän Singleton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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ihn aber fragte, wie lange der arme Kerl wohl seiner Meinung nach am Leben bleiben könne, blickte er mich ernst an und sagte: „So lange, wie du es kannst; ich fürchte durchaus nicht für sein Leben, aber ich würde ihn gern heilen, wenn ich könnte, ohne ihn zum Krüppel zu machen.“ Ich sah, daß er in diesem Augenblick nicht damit beschäftigt war, das Bein zu operieren, sondern etwas zu mischen, was er dem armen Menschen eingab, um, wie ich dachte, die sich ausbreitende Vergiftung zu bekämpfen und das Fieber, das möglicherweise im Blut aufstieg, zu dämpfen oder zu verhindern. Danach machte er sich wieder ans Werk und schnitt das Bein an zwei Stellen oberhalb der Wunde auf, entfernte eine Menge brandiges Fleisch, das anscheinend von der Binde verursacht wurde, die an diesen Punkten zu fest gedrückt hatte, und da das Blut zu der Zeit mehr als gewöhnlich zum Wundbrand neigte, mochte es dazu beitragen, daß er sich ausbreitete.
    Nun, unser Freund William überwand all das, besiegte den um sich greifenden Wundbrand, und der rote Streifen ver-schwand wieder, das Fleisch begann zu heilen und der Eiter zu fließen; nach ein paar Tagen faßte der Mann wieder Mut, sein Puls schlug regelmäßig, er hatte kein Fieber mehr und wurde von Tag zu Tag kräftiger. Mit einem Wort, nach etwa zehn Wochen war er wieder völlig gesund; wir behielten ihn bei uns und bildeten ihn zum Vollmatrosen aus. Um aber auf das Schiff zurückzukommen: Wir vermochten keinerlei sichere Auskunft darüber zu erhalten, bis uns ein paar der Neger, die 204
    wir an Bord bleiben ließen und englisch sprechen lehrten, später darüber berichteten, insbesondere dieser Versehrte.
    Wir fragten sie mit Hilfe von allen Zeichen und Gesten, die wir uns nur auszudenken vermochten, was aus der Mannschaft geworden sei, und konnten doch nichts aus ihnen herausholen.
    Unser Erster Offizier war dafür, einige von ihnen zu foltern, damit sie gestanden; William wandte sich aber he ftig dagegen, und als er hörte, daß wir es in Betracht zogen, kam er zu mir.
    „Freund“, sagte er, „ich fordere dich auf, keinen dieser armen Kerle zu foltern.“ – „Wieso, William, weshalb denn nicht?“
    sagte ich. „Ihr seht doch, daß sie nicht berichten wollen, was aus den Weißen geworden ist.“ – „Nein“, erwiderte William,
    „sag das nicht. Ich nehme an, daß sie dir darüber einen ausführlichen Bericht mit allen Einzelheiten gegeben haben.“ –

„Wie denn?“ fragte ich. „Inwiefern sind wir denn bitte durch ihr ganzes Geschnatter klüger geworden?“ – „Nun“, sagte William, „das mag dein Fehler sein, was weiß ich. Du wirst die armen Menschen doch nicht dafür bestrafen, daß sie kein Englisch sprechen können; vielleicht haben sie noch nie zuvor auch nur ein englisches Wort gehört. Ich darf aber sehr wohl annehmen, daß sie dir über alles einen langen Bericht gegeben haben, denn du siehst doch, mit welchem Ernst und wie lange einige von ihnen mit dir geredet haben, und wenn du ihre Sprache nicht verstehen kannst und sie nicht deine, was können sie dafür? Im besten Falle nimmst du nur an, daß sie dir nicht die ganze Wahrheit über die Sache gesagt haben, ich hingegen nehme an, daß sie es getan haben, und wie willst du die Frage, ob du recht hast oder ob ich recht habe, nun entsche iden?
    Außerdem, was können sie dir schon sagen, wenn du ihnen auf der Folter eine Frage stellst und sie sie gar nicht verstehen und du nicht weißt, ob sie ja oder nein sagen?“
    Es gereicht meiner Mäßigung nicht zum Lob, wenn ich sage, daß mich diese Argumente überzeugten, trotzdem aber hatten wir alle viel zu tun, um unseren Zweiten Offizier davon 205
    abzuhalten, daß er einige der Neger ermordete, um die anderen zum Reden zu veranlassen. Und wenn sie geredet hätten? Er hätte kein Wort davon verstanden, er wollte sich aber nicht davon abbringen lassen, daß ihn die Neger verstehen müßten, wenn er sie fragte, ob das Schiff ein Boot gehabt habe wie unseres oder nicht und was daraus geworden sei.
    Es blieb uns jedoch nichts übrig, als zu warten, bis wir diese Leute gelehrt hatten, Englisch zu verstehen, und den Bericht bis dahin aufzuschieben. Folgende Tatsachen ergaben sich: Wo man sie an Bord des Schiffs gebracht hatte, konnten wir nie erfahren, weil sie die englischen Namen nicht kannten, die wir diesen Küsten gaben, und auch nicht, welcher Nation die Schiffsleute angehörten, da sie die Sprachen nicht voneinander zu unterscheiden vermochten;

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