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Kardinalspoker

Kardinalspoker

Titel: Kardinalspoker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Sitzungssaal.
Unterstützt durch das laute Tönen einer Glocke gelang es ihm endlich, die Geräuschkulisse
auf ein passables Niveau zu reduzieren. Mit dem formellen »Hiermit eröffne ich die
13. Sitzung des Stadtrates« gab er das Startzeichen, mit dem der Protokollant seine
dokumentierende Arbeit aufnahm. Müllers Vorschlag, aus Gründen der Praktikabilität
Sitzungen per Tonband mitschneiden zu lassen, war vom Rat vehement abgelehnt worden.
Und das Risiko, wegen von ihm veranlasster heimlicher oder vermeintlich heimlicher
Mitschnitte angegriffen zu werden, wollte er nicht eingehen. Da war ihm das negative
Beispiel eines seiner Vorgänger im Zusammenhang mit dem tragischen Einsturz des
Stadtarchivs Mahnung genug. Der hatte wegen eines Mitschnitts sogar ein Ermittlungsverfahren
der Staatsanwaltschaft am Hals gehabt.
    Der Blick auf die von den Politikern
abgezeichnete Anwesenheitsliste ließ ihn kurz stutzen, ehe er fürs Protokoll erklärte:
»Entschuldigt fehlen einmal Schmitz von der CDU sowie Schmitz von der SPD, Dummloch
und Pfannenstiel. Abwesend ist ebenfalls Ratsherr Kardinal, der sich nicht abgemeldet
hat.«
    Das aufbrausende Gemurmel im Sitzungssaal
ließ Müller verstummen. Entsetzen machte sich bei den Demonstranten breit, einige
Ratsvertreter konnten sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Die KGB-Stadtverordneten
schauten sich irritiert an. Ausgerechnet jetzt fehlte Kardinal! Er hatte den Antrag
gestellt, sie hatten diesen Antrag abgenickt. Sie hatten sich nicht den Zorn ihres
Vorsitzenden zuziehen wollen. Und jetzt war der Mann nicht im Sitzungssaal, der
die Hauptrolle bei dieser Sitzung spielen wollte.
    Da braute sich etwas zusammen.
    »Hat er dir was gesagt?«, fragte
Dormann seinen KGB-Kollegen Jansen verunsichert.
    »Nein. Ich habe gestern Mittag das
letzte Mal mit ihm telefoniert. Da hat er auf mich nicht den Eindruck gemacht, er
würde heute kneifen. Im Gegenteil, er wollte vielmehr heute die Sau rauslassen.«
    »Und jetzt?«
    »Woher soll ich das wissen?« Jansen
rieb sich die Augen. Als stellvertretender Fraktionsvorsitzender war er gefordert.
»Hoffen wir mal, dass er noch kommt. Bei dem musst du mit allem rechnen.«
    Was als Erstes passieren würde,
damit konnte allerdings auch Jansen rechnen. Kaum hatte Müller die Anwesenheitsliste
abgehandelt, da meldete sich schon der Vorsitzende der CDU-Fraktion zu Wort.
    »Ich stelle einen Antrag zur Geschäftsordnung«,
ließ sich Klaus Schlingenheim gewichtig vernehmen. »Angesichts der Zuhörer, die
unübersehbar wegen des KGB-Antrages gekommen sind und denen ich keine lange Wartezeit
zumuten möchte, bis wir der Tagesordnung folgend an diesen Punkt gelangen, möchte
ich im Namen meiner Fraktion beantragen, den entsprechenden Tagesordnungspunkt vorzuziehen
und als ersten zu behandeln.« Seine Absicht war durchschaubar, auch wenn er sie
hinter seinem angeblichen Entgegenkommen für die Ratsbesucher versteckte: Ohne ihren
Anführer würde die KGB nicht viel zu sagen haben. Die drei Typen hinter Kardinal
waren in seinen Augen Nullnummern. Das konnte einer Ablehnung des KGB-Antrags, wie
die meisten Mitglieder der CDU-Fraktion ohnehin forderten, nur förderlich sein.
    Das Angebot zur Gegenrede musste
Jansen annehmen. Zum CDU-Antrag zu schweigen, hätte den anderen Fraktionen nur Oberwasser
gegeben. »Sicherlich ist es eine nette Geste gegenüber den Zuhörern, wenn wir den
sie interessierenden Tagesordnungspunkt vorziehen würden. Aber die Zuhörer würden
es nicht verstehen, wenn die KGB über ihren Antrag diskutieren ließe, ohne dass
der Antragsteller selbst bei der Diskussion anwesend wäre. Da sich mein Kollege
Kardinal nicht abgemeldet hat, gehen wir davon aus, dass er sich aus plausiblen
Gründen verspätet. Ich schlage also vor, den Geschäftsordnungsantrag des verehrten
Kollegen Schlingenheim abzulehnen, weil wir damit rechnen, dass mein Kollege Kardinal
noch auftaucht. Die Besucher dieser Ratssitzung haben ein Recht darauf, dass über
den Antrag meiner Fraktion in Anwesenheit von Kardinal beraten wird.«
    Das zustimmende Nicken und die vereinzelten
»Bravo!«-Rufe bescheinigten ihm, die richtigen Worte gefunden zu haben. Den Aufstand,
den Kardinal machen würde, ginge der Antrag durch, wollte Jansen sich erst gar nicht
ausmalen. Kardinal war nicht gerade der angenehmste Zeitgenosse, aber wenn er wütend
wurde, war er unerträglich und unberechenbar.
    Schlingenheim war gewieft genug,
die Meinung der Zuhörerschar richtig zu deuten. Nachdem ihm

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