Kardinalspoker
Menschen umgebracht«, antwortete der Mann, »und ich möchte, dass Sie mir helfen.«
»Wie denn? Das ist Sache der Polizei.
Ich habe damit nichts zu tun. Wie kommen Sie ausgerechnet auf mich und woher wissen
Sie, dass Sie mich hier in diesem abgelegenen Eifeldörfchen finden können?« Böhnke
wollte sich nicht auf eine Geschichte einlassen, die ihn nichts anging. Er würde
nach seiner Rückkehr die Kollegen in Aachen anrufen. Die sollten sich darum kümmern.
»Ein Herr Sümmerling hat mir heute
Mittag gesagt, dass ich Sie hier finde«, antwortete der Mann zu Böhnkes Überraschung.
Wie kam der
Reporter der ›Aachener Zeitung‹ bloß dazu, einem wildfremden Menschen den Rat zu
geben, ihn in Huppenbroich zu belästigen? Das würde für den Schreiberling ein Nachspiel
haben, nahm sich Böhnke grollend vor; er würde später einige Telefonate führen müssen.
»Ich glaube, es ist besser, wenn
ich Ihnen die ganze Geschichte von Anfang an erzähle«, schlug der Mann schwer atmend
vor. Er konnte dem von Böhnke eingeschlagenen Schritt nur mit Mühe folgen, obwohl
Böhnke nicht gerade der Schnellste war.
»Ich wüsste nicht, was ich lieber
hören würde«, knurrte der Pensionär voller Ironie. »Also, schießen Sie los! Am besten
mit Ihrem Namen.«
»Ich heiße Walter Lipperich.«
Kaum hatte er den Namen gehört,
da dämmerte es bei Böhnke. Lipperich, das war, wenn er sich richtig erinnerte, ein
kräftiger Typ gewesen, der in einer Kneipe an der Pontstraße eine Schlägerei angezettelt
hatte. Wohl wegen einer Frau. Mit bloßen Fäusten hatte er einen Studenten totgeschlagen.
Für Böhnke hatte bei den Ermittlungen niemals der Gedanke im Raum gestanden, es
könne sich dabei um Mord gehandelt haben. Aber wenn der Vater es so sah, sollte
er es ruhig glauben. Böhnke war es egal, wenngleich ihm schwante, dass da noch etwas
anderes im Spiel gewesen war. Etwas, das ihm garantiert irgendwann einfallen würde.
»Wie Sie vielleicht
gehört haben, hat es gestern einen Toten auf dem Tivoli gegeben, beim Spiel gegen
Köln.«
Woher sollte er es gehört haben?,
fragte sich Böhnke, blieb aber stumm. In seiner Tageszeitung hatte nichts darüber
gestanden, und auch die Lokalnachrichten im WDR hatten am Morgen keine Meldung gebracht.
»Der Tote ist heute Morgen nach
dem Spiel in einem Gebüsch hinter dem großen Parkplatz gefunden worden. Ich war
dabei. Ich gehöre nämlich zur Reinigungskolonne, die auf dem Tivoli und den Parkplätzen
für Sauberkeit sorgt.« Lipperich schaute versonnen in die Luft. »Wir wollen doch
nicht, dass unser schönes neues Stadion zur Müllkippe wird. Machen wir als Rentnerband
alles ehrenamtlich.« Er atmete tief durch. »Ein Kumpel hat den Toten gefunden. Wir
sind alle hin, als er rief. Ich habe den Typen gleich erkannt. Und Sie können mir
glauben, auf eine Art kann ich es noch nicht einmal groß bedauern, dass er tot ist.«
»So?«, unterbrach ihn Böhnke leicht
angesäuert. Er runzelte die Stirn. »Weshalb denn?«
»Das ist eine lange Geschichte,
die ich Ihnen vielleicht später einmal erzähle«, wich Lipperich aus. Wieder trat
ihm der Schweiß auf die Stirn. »Der Mistkerl hat es nicht anders verdient. Ich bin
froh, dass er abgekratzt ist.«
»Und warum?«
Darauf komme er später zu sprechen,
antwortete Lipperich. Er hatte ein anderes Ziel als Böhnke und das verfolgte er
hartnäckig. »Ich habe ihn sofort erkannt.«
»Schön«, brummte
Böhnke ungeduldig, »so weit waren wir schon einmal. Sie stehlen mir nur meine Zeit.
Sie haben also den Toten erkannt und Ihr Wissen der Polizei mitgeteilt?«
»Nein«, entgegnete
Lipperich zu Böhnkes Erstaunen. »Ich habe geschwiegen. Man hat uns zwar gefragt,
ob wir den Toten kennen würden, weil … er hatte keine Papiere dabei und auch keine
Schlüssel. Aber ich habe nichts gesagt.«
»Muss ich das
jetzt verstehen?« Böhnke schüttelte ungehalten den Kopf. »Sie nerven, wenn Sie nicht
bald zu Potte kommen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und trat den Rückweg an,
Lipperich im Schlepptau.
»Ich konnte
doch nicht sagen, dass ich ihn kenne. Die Polizei hätte schnell herausbekommen,
dass mein Sohn mit dem Todesfall zu tun haben könnte. Josef hat schon vor 15 Jahren
geschworen, den Kerl umzubringen. Als Josef jetzt aus dem Knast heimkam, zu mir
nach Kornelimünster, hat er sich Gedanken gemacht, wie er den Scheißkerl umbringen
könnte. Aber ich dachte, es wären nur Gedankenspielereien und nichts Ernsthaftes.
Ich hätte nie geglaubt, dass Josef
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