Karl der Dicke beißt sich durch
sehr ergriffen ihn seine eigenen Worte. Guddel sagte nichts, er konnte sich sehr gut in Karls Lage versetzen. Egon dagegen wollte einfach nicht glauben, daß Karl zum Tode verurteilt war. Wenn es ihm schlecht ginge, dachte er, würde er nicht mehr so theatralisch daherreden, sondern still vor sich hin leiden.
„Karl“, sagte er darum, „laß den Mut nicht sinken. Du bist gesund wie eine knorrige Eiche, bist widerstandsfähig und zäh, du wirst mit dem lächerlichen Virus fertig wie ein Schwergewichtsboxer mit einer Laus. Dir kann so ein kleines Ding gar nichts antun.“
„Darauf verlasse ich mich ja eigentlich auch“, sagte Karl mit einem dankbaren Blick auf Egon. „Ich bin ja noch nie ernstlich krank gewesen. Mit den Masern bin ich in vier Tagen fertig geworden, und eine Grippe reite ich in achtundvierzig Stunden ab. Mein Kern ist eben noch vom altem Schrot und Korn, erstklassige Ware sozusagen.“
Seine Mutter kam herein.
Sie hatte mit dem Bauern und dem Tierarzt telefoniert. „Karl“, rief sie erregt, „der Tierarzt glaubt nicht, daß der Hund krank ist! Endgültig möchte er sich zwar noch nicht festlegen, aber er hält es beinah für ausgeschlossen!“
„Mensch, Karl“, schrie Guddel, „das ist ‘ne Nachricht, was? Wenn ein Tierarzt das sagt, wird es schon stimmen, die Leute wissen, wie sich ein tollwütiger Hund benimmt!“ Karl bekam Glanz in die Augen.
„Ach“, sagte er, „sollte ich dem Leben wirklich noch einmal wiedergeschenkt werden? Das wäre zu schön!“
Am nächsten Tag und auch am übernächsten lebte der Hund immer noch, und Karls Zuversicht wuchs.
„Leute“, sagte er, „ich habe zwar bei jedem Brocken, den ich in den Mund stecke, das Gefühl, ich könne nicht mehr so schlingen wie früher, aber die Sachen schmecken mir besser als je, und das muß man doch positiv deuten.“
Auch am vierten Tag nach dem Biß konnte der Tierarzt keine krankhaften Veränderungen an dem Hund wahrnehmen.
„Das Tier ist gesund“, sagte er, „völlig gesund. Von Tollwut kann keine Rede sein.“
Als Karl diese Nachricht durch’s Telefon hörte, boxte er Guddel auf die Brust, trat Egon in den Hintern und rief: „Gerettet! Kommt herbei, ihr Völkerscharen, und verneigt euch vor dem Mann, der hier in voller Lebensgröße vor euch steht! Er ist dem Tode durch die Maschen geschlüpft, ist ihm entwischt bei Nacht und Nebel. Und jetzt wird er etwas
Großes tun! Entweder wird er den Hund ersäufen, der schuld daran war, daß er vier endlos lange Tage lang an des Todes Seite schritt, oder er wird das Mädchen, das er liebt, an sein vor Glück überströmendes Herz drücken! Wozu ratet ihr mir, Freunde?“
„Schmeiß den Hund ins Wasser“, sagte Egon, „und überlaß mir das Mädchen!“
Da bekam er den zweiten Fußtritt.
„Uns fehlen noch genau 295 Mark“, sagte Guddel, als sie gemeinsam in der Eisdiele saßen und Karls Wiedergeburt feierten. „Soviel müßte doch auf dem Flohmarkt zu verdienen sein, meint ihr nicht auch?“
„Klar, meinen wir das!“ rief Karl. „295 Mark sind überhaupt keine Summe für unsere Intelligenz und unser Verkaufsgeschick. Die verdienen wir in einer halben Stunde!“ Und bedeutungsvoll fügte er hinzu: „Weil wir uns nicht einfach hinter unsere Klamotten stellen und warten, bis die verehrten Kunden diesen oder jenen Kaufwunsch äußern, sondern weil wir aus dem langweiligen Geschäft eine Volksbelustigung erster Klasse, eine Superschau ohnegleichen machen!“
„Volksbelustigung?“ fragte Egon. „Warum? Es genügt mir eigentlich, wenn ich selbst lustig bin. Und das bin ich! Besonders, seit ich sicher sein kann, daß du noch eine Weile unter den Lebenden weilen wirst. Warum also so ein großer Aufwand?“
„Weil dadurch die Massen in Scharen angelockt werden“, rief Karl, „und uns das Gerümpel nur so aus der Hand reißen, Mensch! Hast du denn immer noch nicht kapiert, daß man heute nur mit der richtigen Werbung seine Ware an den Mann bringen kann? Erleben Sie den Duft immergrüner Wälder, genießen Sie das Glück, das in dem Rauschen edler Bäume liegt: verwenden Sie Dämelacks Komposterde! So muß man seinen Krempel anpreisen, dann wird man ihn im Handumdrehen los. Natürlich glaubt dir kein Aas, was du singst, aber es macht den Leuten Spaß, und darum kaufen Sie.“
„Klingt eigentlich ganz überzeugend“, sagte Guddel. „Vielleicht sollten wir es auf diese Tour versuchen?“
„Hm“, brummte Egon, „für Komposterde läßt
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