Karl der Dicke beißt sich durch
genau sagen, was passiert ist.“
„Machen wir“, sagte Egon. „Welche Nummer, bitte?“
Er wählte und berichtete dem Arzt mit dem blumigen Namen alles, was sich in Hinnebeck zugetragen hatte. Dann legte er den Hörer wieder auf.
„Er will sofort kommen“, sagte er.
Sie setzten sich hin und warteten, und Karls Mutter erfuhr nun auch, wie es zu dem Hundebiß gekommen war.
Karl wurde immer unruhiger.
„Ich möchte wissen, was der unter,sofort’ versteht“, knurrte er. „Es geht hier um ein Menschenleben, da kann er nicht noch in aller Gemütlichkeit Abendbrot essen und sich einen Film in der Flimmerkiste ansehen!“
Endlich klingelte es.
Guddel stürzte an die Tür und ließ den Arzt herein, einen alten Mann mit einem kleinen schwarzen Koffer.
„Tut mir leid“, begrüßte er Frau Buchholz und die Kinder, „ich habe das Serum in keiner Apotheke kriegen können. Ich kann dem Jungen darum nur eine Tetanusspritze geben.“
„Hilft die denn gegen Tollwut?“ fragte Karl.
„Nein, natürlich nicht, aber jedenfalls schon mal gegen Wundstarrkrampf. Bist du der Patient? Komm, zeig mir mal den Hundebiß, und laß die Hosen runter, und leg dich auf den Bauch!“
Als er Karl die Spritze verabreicht hatte, sagte er: „Reg dich mal gar nicht auf. Vielleicht ist es ja keine Tollwut, und du sorgst dich umsonst.“
„Sie sind gut!“ rief Karl. „Und wenn es doch Tollwut ist, was dann? Dann kratz’ ich seelenruhig ab, was?“
Dr. Märzenbecher nahm seine Tasche auf und wandte sich zur Tür. „Nun male den Teufel nicht an die Wand“, sagte er. „Für den Augenblick haben wir das Wichtigste getan. Später sehen wir weiter.“ Damit verabschiedete er sich.
„Was war denn das für ein Opa?“ rief Egon entrüstet. „Der hat ja keine Ahnung! Kann das Serum nicht kriegen und jagt Karl darum einfach was anderes in den Hintern, was? Wo hat’s denn derlei schon gegeben!“
„Ich ruf’ mal im Großen Krankenhaus an“, sagte Frau Buchholz. „Da wird man besser Bescheid wissen.“
Dort sagte man ihr, sie solle sofort mit ihrem Sohn kommen und sich in der Unfallstation melden.
„Wir müssen hinfahren!“ rief sie, als sie das Gespräch beendet hatte. „Sofort! Sie haben das Serum! Und ausgerechnet jetzt ist Vati mit dem Wagen unterwegs! Was machen wir nur?“
„Mein Vater kann uns fahren!“ rief Egon. „Der ist bestimmt zu Hause. Ich lauf’ mal rüber und hol’ ihn.“
Aber Herr Feldmann wollte nicht fahren. Er half einem Nachbarn beim Tapezieren der Wohnung.
„Ihr habt einen ganz schönen Vogel!“ rief er, als Egon ihm erzählte, worum es ging. „Du siehst doch, daß ich hier gebraucht werde!
Allein kann Herr Reiners die Tapeten nicht ankleben, die sind viel zu lang.“
„Du mußt kommen!“ rief Egon. „Sonst bist du schuld, wenn Karl stirbt!“
„Ach was“, brummte Herr Feldmann unwillig, „so schnell stirbt sich das nicht. Ein Hund hat ihn gebissen, na und? Mich haben schon fünf, sechs Hunde gebissen, und ich lebe immer noch!“
„Vati“, rief Egon beschwörend, „es war im Tollwutgebiet! Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wenn er nicht innerhalb von vier Stunden geimpft wird, ist er verloren!“
„Fahren Sie nur“, schaltete sich jetzt Herr Reiners ein. „Ich schneide inzwischen die Tapeten für den Flur zu. Wenn Sie zurück sind, können wir sofort mit dem Kleben anfangen.“
Karl hatte inzwischen im Lexikon nachgelesen, was dort über Tollwut stand. Bleich wie eine Kalkwand ließ er sich in einen Sessel fallen und sagte tonlos: „Aus! Es ist aus, Leute! Hier steht: ,Wenn ein Hund ohne Anlaß beißt, ist das ein untrügliches Zeichen dafür, daß er mit Tollwut infiziert ist.’ Das Vieh hatte doch keinen Anlaß, oder?“
„Vielleicht doch!“ sagte Guddel. „Es kann doch sein, daß es sich gereizt fühlte, weil wir da alle standen und laut miteinander redeten!“
Karl schüttelte zweifelnd den Kopf und blickte wieder in das Buch. „Beim Menschen“, las er, „kündigt sich die Krankheit durch Schlingbeschwerden und stärkste Überregbarkeit an.“ Er schluckte. „Schlingbeschwerden hab ich schon!
Wenn ich gleich anfange zu toben, kann ich mir schon den Sarg bestellen.“
„Nun denk man nicht gleich an das Schlimmste!“ tröstete Guddel.
„Es ist ja wirklich noch nicht erwiesen, daß du infiziert bist. Was steht denn da über Heilmethoden?“
Karl klappte das Buch zu.
„Es gibt keine“, flüsterte er. „Wenn die Krankheit ausgebrochen ist, kann sie
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