Karl der Dicke beißt sich durch
fühlte.
„Wollen wir nicht gleich bis Hinnebeck durchfahren?“ schlug Guddel vor. „Und mit dem Hundehalter sprechen?“
„Oh ja, das wäre das beste!“ rief Frau Buchholz. „Wenn Sie das noch für meinen Jungen tun würden, Herr Feldmann?“
„Jaja“, stimmte der zu. „Ob ich eine halbe Stunde früher oder später zum Tapezieren komme, ist nun auch schon egal.“
Der Bauer, dem der Hund gehörte, machte ein erstauntes Gesicht.
„Was denn, mein Hund soll die Tollwut haben?“ rief er. „Wer hat sich das denn ausgedacht? Der ist so gesund, wie ein Hund nur sein kann!“
„Woher wissen Sie das so genau?“ fragte Herr Feldmann. „Er hat den Jungen hier gebissen und dabei mit dem Schwanz gewedelt. Das tut ein gesunder Hund nicht! Darum müssen Sie ihn sofort einsperren und einen Tierarzt kommen lassen, der ihn vier Tage lang beobachtet. Das hat man im Großen Krankenhaus angeordnet. Wenn er nach vier Tagen noch lebt, darf er wieder frei herumlaufen.“
„Das hat mir gerade noch gefehlt“, knurrte der Bauer. „Ich weiß vor Arbeit nicht, wo mir der Kopf steht, und soll mich nun mit so einem Unsinn aufhalten! Der Köter kriegt eine Kugel durch den Kopf, dann hab’ ich Ruhe.“
„Nein!“ rief Guddel. „Der Hund muß am Leben bleiben! Wie soll man sonst feststellen, ob er die Tollwut hatte?“
„Er hat aber keine Tollwut“, brummte der Bauer böse. „Er ist j a den ganzen Tag auf dem Hof, wie soll er sich da anstecken! Aber gut, ich laß den Tierarzt kommen, damit ihr euch beruhigt. Und bei nächster Gelegenheit schaffe ich den Hund ab. Es ist nun schon das drittemal, daß er jemanden beißt, und immer ohne Grund.“
Sie fuhren zurück.
Karl verabschiedete sich von seinen Freunden und legte sich sofort zu Bett. Ohne Abendbrot! Daran erkannte seine Mutter, wie ernst es um ihn stand.
Am nächsten Morgen wollte er auch auf das Frühstück verzichten.
Seine Mutter hatte es jedoch so verlockend angerichtet, daß er nicht widerstehen konnte und fünf der knusprigen Brötchen mit Wurst, Schinken, Honig, Marmelade und Käse aß. Während er noch am Tisch saß und es sich schmecken ließ, kamen Guddel und Egon, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen.
„Na, deinen Appetit hast du anscheinend nicht verloren“, sagte Egon beim Eintreten. „Das deute ich als ein gutes Zeichen.“
Karl winkte ab.
„Was hilft es mir, wenn ich faste?“ sagte er. „Jede Mahlzeit, die ich esse, könnte meine letzte sein. Da wäre ich doch ein Esel, wenn ich nicht richtig zulangen würde, oder? Im Grab kann ich eine Ewigkeit lang nichts mehr essen. Was ich bis dahin versäumt habe, ist nicht mehr nachzuholen. Darum gönnt mir die paar Happen hier.“
Egon stellte die kleine Geldkassette, die er mitgebracht hatte, auf den Tisch.
„Wir haben 985 Mark in der Kasse“, sagte er. „Das ist mehr als zwei Drittel der Summe, die wir brauchen. Noch ein Job oder ein guter Verkauf auf dem Flohmarkt, und wir haben’s geschafft.“
Karl wischte sich den Mund ab und trank seinen Tee aus. Dann lehnte er sich zurück und sagte: „Das ist mir alles nicht mehr wichtig. Die Feuerwehr, unsere Zeitung, ja, selbst Teresa! Wenn du mit einem Fuß schon unter der Erde bist, interessiert dich so was nicht mehr. Da denkst du nur noch das eine: Hat’s dich erwischt, oder kommst du noch einmal davon? Die Feuerwehr, du meine Güte! Ob sie das Geld kriegt oder nicht, das ändert auch nichts an meiner Lage. Und an unserer Zeitung interessiert mich nur, ob wohl mal meine Todesanzeige drin sein wird.“
Er tupfte einige Krümel vom Tisch und steckte sie in den Mund. „Was aber Teresa angeht“, fuhr er fort, „die hat mich auch enttäuscht. Nur weil sie auf dem Fahrrad ‘n paar dumme Kunststücke machen kann, meint sie, ich sei zu dick. Das sagt man doch nicht von einem Menschen, der sein Leben und seine Gesundheit für einen einsetzt! Aus dieser Bemerkung, die Egon ihr so hilfreich in den Mund gelegt hat, schließe ich, daß ihre Liebe zu mir nicht sehr tief sein kann und daß sie die meine nicht verdient hat. Wenn mich erst der kühle Rasen deckt, wird sie mich schneller vergessen, als der Mond die Erde umkreist. Dennoch, seid gut zu ihr! Übermittelt ihr meine letzten Grüße, und sagt ihr, daß ich mich freuen würde, wenn sie ein einfaches, schlichtes Blümchen, ein Vergißmeinnicht oder ein Männertreu, auf mein einsames Grab pflanzen würde.“
Karl mußte sich schneuzen und eine Träne aus seinem linken Auge wischen, so
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