Karl der Dicke & Genossen
Angst zu haben“, rief Egon eifrig. „Wir haben schon ganz andere Sachen zusammen gedreht, was Guddel? Die Interviews haben wir jetzt schon so gut wie im Kasten.“
„Laßt mich mal überlegen“, sagte Frau Asbeck und fuhr nach einer kleinen Pause fort: „Gut, ich will euch hundertundzwanzig Mark dafür geben, im voraus. Aber das sage ich euch gleich, wenn aus der Geschichte nichts wird, müßt ihr das Geld zurückzahlen.“
„Natürlich!“ jubelte Egon. „Ist doch Ehrensache.“
„Kommt morgen ins Funkhaus, alle drei, aber nicht vor neun! Und bringt möglichst einen eurer Väter mit, wegen des Vertrages.“
„Okay, verstanden!“ rief Egon und legte strahlend den Hörer auf.
„Na, hab’ ich euch zuviel versprochen von meinen Beziehungen zu Radio Bremen?“ fragte er triumphierend, ln diesem Moment riß der ungeduldige Herr wieder die Zellentür auf.
„Seid ihr jetzt endlich fertig?“ rief er böse. „So lange telefoniert man doch nicht mit der Feuerwehr!“
„Stellen Sie sich vor“, sagte Karl der Dicke, „die Feuerwehr hat Urlaub, da mußten wir es bei der Heilsarmee versuchen.“
Und ‘raus waren sie.
Am nächsten Tag fuhr Herr Feldmann mit seinem Sohn und dessen beiden Freunden zu Frau Asbeck ins Funkhaus. Dort bestätigte er durch seine Unterschrift, daß er bereit sei, ein im voraus an seinen Sohn Egon bezahltes Honorar in Höhe von hundertundzwanzig Mark zurückzubezahlen, falls er eine dem Kinderfunk versprochene Sendung nicht liefern könne. Darauf bekam er einen Beleg von der Honorarabteilung und konnte an der Kasse das Geld in Empfang nehmen. Am Nachmittag sagte er zu seiner Frau: „Du, Hilde, die Kinder sind aber heutzutage weiter als wir seinerzeit. Die kommen durch, du, darüber brauchen wir uns gar keine Gedanken zu machen. Wenn ich als Junge mal unbedingt ein paar Mark brauchte, dann hab’ ich Botendienste gemacht, leere Flaschen verkauft und so was. Aber die gehen zu einem Sender und schließen Verträge ab über Interviews und so neumodische Sachen. Das hätte ich mir nicht mal im Traum einfallen lassen.“
Auch das, was Karl der Dicke noch am selben Nachmittag trieb, hätte Herr Feldmann sich nicht mal im Traum einfallen lassen. Der saß nämlich mit Egon und Guddel in dem kleinen Büro des Tischlermeisters Hanik, ihres Nachbarn, und führte ein Ferngespräch. Er hatte von Frau Hanik dafür die Erlaubnis erhalten.
Zwei Minuten später hatte er die Verbindung mit seinem Onkel von der Weseler Zeitung und weitere zwei Minuten später die Gewißheit, daß das Blatt die Fahrtenberichte des jungen Dichters Guddel Schmalz regelmäßig veröffentlichen würde, für ein Zeilenhonorar von zwanzig Pfennig. Es gelang Karl sogar, den Onkel davon zu überzeugen, daß er die einzelnen Beiträge sofort honorieren und das Geld postlagernd jeweils in die Orte schicken müsse, die im Begleitbrief angegeben seien.
„Uff“, sagte Karl, als er den Hörer auf die Gabel und zwei Zehner neben den Apparat legte, „das wäre geschafft. Unsere Fahrt ist so gut wie finanziert. Wenn wir jetzt noch die nötigen Verwandten zusammenkratzen, bei denen wir unterwegs Station machen können, läuft alles nach Wunsch.“ Mit der Auflage, ihre Eltern vorsichtig nach Onkel, Tanten, Opas und Omas auszufragen, die für ihre Zwecke brauchbar waren, trennten sie sich.
Am Tage darauf legte Egon als erster Rechenschaft ab über seine Erkundigungen. Er hatte sich Notizen gemacht.
„Ich glaube in aller Bescheidenheit sagen zu können“, so begann er, „daß wir bei meiner über das ganze Land verstreuten Verwandtschaft an mehreren Tagen Erquickung und Obdach finden werden.
Da wäre erst mal meine Tante Olga zu nennen, wohnhaft in Osnabrück, vierzig Jahre alt, dick, asthmaleidend, stark kurzsichtig, im Besitz einer geräumigen Vierzimmerwohnung, vermögend. Gute Eigenschaften: großzügig, humorvoll, Seele von Pferd. Schlechte Eigenschaften: dem Trunk ergeben.“
„Donnerwetter“, staunte Karl, „das ist aber ein feiner Ausdruck für einen, der säuft.“
„Das ist bei uns Sprachgebrauch“, erklärte Egon, „je schlimmer das Laster, desto feiner die Bezeichnung dafür. Aber nun unterbrich mich nicht dauernd, ich habe außer Tante Olga noch mehr zu bieten. Zum Beispiel die sehr empfehlenswerte Tante Steffi aus Soltau, stinkreich und einsam, die würde nur so mit Fünfmarkstücken um sich werfen. Sie nennt eine tolle Villa ihr eigen, mitten in der Heide, außerdem einen mittelgroßen Wald, einen
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