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Karlo geht von Bord - Kriminalroman

Karlo geht von Bord - Kriminalroman

Titel: Karlo geht von Bord - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Vogelfrei
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Hoffentlich war diese alte Brühe überhaupt noch genießbar.
    Als sie die Flasche geöffnet und das erste Glas eingeschenkt hatte, setzte sie das kleine Radiogerät in Betrieb, das am Küchenfester stand. Sie nippte vorsichtig, im Falle der Wein schon ein essigartiges Geschmackserlebnis für sie bereithalten sollte. Doch der Wein war in Ordnung, befand sie überrascht. Und nicht nur das: Er schmeckte ihr sehr gut. Eine Woge dichter, warmer Würze rollte ihr über die Zunge. Das schien mehr als der benötigte Seelentröster zu sein, vermutete sie erschrocken.
    Das schlechte Gewissen wuchs.
    Nach dem dritten Glas kamen andere, bessere Gedanken und sie fühlte ihre Beklemmung weichen. Die
Dire Straits
spielten
Sultans of Swing
, ein Lied, das sie sehr mochte. Gerade als Mark Knopfler das zweite Gitarrensolo begann, wurde – wie eigentlich immer – der Song ausgeblendet. Ein weiterer Schatten fiel auf Jeannettes Laune. Sie hatte keine große Ahnung von Musik, doch gefiel ihr die Leichtigkeit des Spiels, das sie musikalisch nicht überforderte. Uwe Marks, ein großer Bluesliebhaber und -kenner, von seinen Freunden zuweilen „Platten-Uwe“ genannt, hatte die Musik der Band um Mark Knopfler einmal etwas abschätzig als „Plätscher-Rock“ bezeichnet. Doch auch er konnte sich dem locker perlenden, technisch versierten Gitarrenspiel Knopflers nicht vollständig entziehen. Das schöne Solo wurde also vorzeitig beendet und zu allem Übel quoll nun auch noch ein aufdringlicher Werbespot aus dem kleinen Lautsprecher. Dieser pries in biederster schwäbischer Mundart die angeblich verdauungsfördernde Wirkung einer bestimmten Müslimarke auf den Darm eines hartleibigen Schwaben namens „Karle“. Jeannette wurde es schlecht.
    Und das ungute Gefühl war wieder da.
    Was geschehen war, war geschehen. Sie dachte verstört an das viele Blut. Der Mann hatte keinen Mucks mehr von sich gegeben.
    Habe ich ihn umgebracht?
    Unvermittelt formte sich diese bedrückende Frage. Die Wirkung des Weins schien wieder nachzulassen. Ein fiebriger Zustand ergriff sie. Was sollte sie tun? Hätte sie sofort einen Krankenwagen rufen müssen? Schließlich war
sie
das Opfer. Sie hatte sich doch bloß gewehrt.
    Oder?
    Sie überlegte, nach unten zu gehen, um zu prüfen, ob der Mann tatsächlich tot war. Doch sogleich verwarf sie den Gedanken, ihre Übelkeit nahm zu, nein, diesen Anblick wollte sie sich ersparen.
    War vielleicht nach ihr noch ein Mieter nach Hause gekommen und hatte den Kerl gefunden? Doch der hätte bestimmt die Polizei gerufen und die wäre dann von Wohnung zu Wohnung gegangen, um eventuelle Zeugen zu befragen. Ihre Nerven vibrierten und sie begann, am ganzen Körper zu zittern.
    Der innere Aufruhr trieb sie ins Bad. Sie beugte sich über die Wanne, ließ kaltes Wasser über das Skateboard laufen und rieb es gründlich mit Shampoo ein. Einen Moment ließ sie es einwirken, dann wusch sie den Schaum ab. Das Blut löste sich schneller von der Kunststoffoberfläche als gedacht.
    Zweimal wiederholte sie diesen Vorgang, anschließend trocknete sie das Skateboard mit einem Handtuch aus ihrer Schmutzwäsche ab. Das nervöse Fieber stieg und sie begann zu frösteln. Mit dem Skateboard in der Hand verließ sie das Bad.
    In der Diele blieb sie einen Moment zögerlich stehen, bevor sie ins Treppenhaus schlüpfte und im Dunkeln die Treppe hinunterschlich. Im Erdgeschoss vermied sie es, zu der Stelle zu schauen, an welcher der Angreifer liegen musste. Sie setzte das Rollbrett auf den Boden und ließ es Rich–tung Haustür rollen. Dann erklomm sie hastig, immer noch im Dunkeln, die Treppe und schlüpfte in ihre Wohnung. In der Küche stürzte sie noch ein Glas Wein hinunter, dann griff sie nervös nach dem Handy, das auf dem Küchentisch lag und wählte die Notrufnummer. Als abgenommen wurde, berichtete sie von dem leblosen Mann im Hausflur, ergänzte, alles sei voll Blut und man solle einen Krankenwagen schicken. Sie wollte schon auflegen, doch der Mann am anderen Ende der Leitung war schneller.
    „Würden Sie mir bitte Ihren Namen und Ihre Adresse nennen? Wo genau befindet sich die leblose Person?“
    „Der Mann liegt in einem Treppenhaus in der Mittelseestraße.“ Sie nannte noch die Hausnummer, ignorierte den Rest der Frage und legte auf.
    Nur Minuten später hörte sie das Martinshorn näher kommen. Sie ging zum Fenster und sah, wie ein Streifenwagen vor dem Haus hielt. Das Blaulicht flackerte durchs Küchenfenster und huschte rhythmisch in

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