Karlsson vom Dach
Brennspiritus, die neben der Dampfmaschine stand, goß den kleinen Spiritusbehältervoll und zündete den Brenner an. Obwohl er der beste Dampfmaschinenaufpasser der Welt war, war er so ungeschickt, daß er einen kleinen See von dem Spiritus auf das Bücherbord verschüttete. Als dieser See Feuer fing, tanzten muntere blaue Flämmchen um die Dampfmaschine herum. Lillebror schrie auf und stürzte herbei.
«Ruhig, nur ruhig», sagte Karlsson und streckte abwehrend eine kurze dicke Hand aus.
Aber Lillebror konnte nicht ruhig sein, als er sah, wie es brannte. Er holte einen alten Lappen und erstickte die kleinen, munteren blauen Flämmchen. Wo sie getanzt hatten, blieben jetzt große häßliche Flecke auf der Politur des Bücherbords zurück.
«Guck mal, wie das Bücherbord aussieht», sagte Lillebror bekümmert. «Was wird Mama sagen?»
«Ach was, das stört keinen großen Geist», sagte Karlsson vom Dach. «Ein paar unbedeutende Flecken auf einem Bücherbord — das stört keinen großen Geist. Grüß schön und bestell das deiner Mama.»
Er lag neben der Dampfmaschine auf den Knien, und seine Augen glänzten.
«Jetzt ist sie bald ordentlich im Gange», sagte er.
Und das war sie. Es dauerte nicht lange, da begann die Dampfmaschine zu arbeiten. Fffft-ffft-ffft, machte sie. Oh, es war die prächtigste Dampfmaschine, die man sich vorstellen konnte, und Karlsson sah so stolz und glücklich aus, als habe er sie selbst gemacht.
«Ich muß das Sicherheitsventil kontrollieren», sagte Karlsson und drehte eifrig an einem kleinen Verschluß. «Es gibt immer ein Unglück, wenn man das Sicherheitsventil nicht kontrolliert.»
Fffft-fffft-ffft, machte die Dampfmaschine. Es ging schneller und schneller, fffft-fffft-fffft. Zuletzt hörte es sich an, als ob sie galoppierte, und Karlssons Augen funkelten. Lillebror kümmerte sich nicht mehr um die Flecken auf dem Bücherbord. Er freute sich mächtig über seine Dampfmaschine und über Karlsson, den besten Dampfmaschinenaufpasser der Welt, der das Sicherheitsventil so gut kontrolliert hatte.
«Ja, ja, Lillebror», sagte Karlsson, «dieses Fffft-fffft-fffft ist wahrlich nicht so ohne. Der beste Dampfmaschinenaufpasser der We...»
Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick hörte man einen fürchterlichen Knall — und es gab keine Dampfmaschine mehr, sondern nur Teile einer Dampfmaschine, über das ganze Zimmer verstreut.
«Die ist explodiert», sagte Karlsson glückstrahlend, fast so, als sei es das größte Kunststück, das man von einer Dampfmaschine erwarten kann. «Tatsächlich, sie ist explodiert. Was für ein Knall!»
Aber Lillebror konnte sich nicht freuen. Ihm traten die Tränen in die Augen.
«Meine Dampfmaschine!» sagte er. «Sie ist kaputt...»
«Stört keinen großen Geist», sagte Karlsson und winkte unbekümmert mit seiner kurzen dicken Hand. «Du kannst leicht eine neue Dampfmaschine kriegen.»
«Wieso denn?» fragte Lillebror verwundert.
«Ich hab’ oben bei mir mehrere tausend.»
«Wo denn oben bei dir?» fragte Lillebror.
«Oben bei mir in meinem Haus auf dem Dach», sagte Karlsson.
«Du hast ein Haus auf dem Dach?» fragte Lillebror. «Mit mehreren tausend Dampfmaschinen drin?»
«Ja. Jedenfalls sind es mindestens ein paar hundert», sagte Karlsson.
«Ach, dieses Haus möchte ich gern mal sehen.»
Es war seltsam, daß oben auf dem Dach ein kleines Haus stehen sollte und daß Karlsson dort wohnte.
«Was sagst du, ein Haus voller Dampfmaschinen?» fragte Lillebror. «Mehrere hundert Dampfmaschinen?»
«Ja, ich hab’ nicht so genau nachgezählt, wie viele noch übrig sind, aber einige Dutzend sind es bestimmt», sagte Karlsson. «Die eine oder andere explodiert ja mal, aber ’n paar Dutzend werden doch immer übrig sein.»
«Dann könnte ich vielleicht eine kriegen?» sagte Lillebror.
«Gewiß», sagte Karlsson. «Gewiß!»
«Jetzt gleich?» fragte Lillebror.
«Hmmja, ich muß sie erst mal ein bißchen nachsehen», sagte Karlsson. «Das Sicherheitsventil kontrollieren und dergleichen. Ruhig, nur ruhig, du kriegst sie gelegentlich.»
Lillebror begann die Teile aufzusammeln, die vorher seine Dampfmaschine gewesen waren.
«Ich möchte wissen, was Papa sagt», murmelte er besorgt.
Karlsson hob verwundert die Brauen.
«Wegen der Dampfmaschine?» sagte er. «Das stört keinen großen Geist. Deswegen braucht er sich durchaus nicht zu beunruhigen. Grüß ihn schön von mir. Ich würde es ihm selbst sagen, wenn ich Zeit hätte und so lange
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