Karlsson vom Dach
war es so, daß Papa und Mama auf keinen Fall einen Hund im Hause haben wollten. Und außerdem kam da plötzlich eine Dame an, und die rief: «Fiffi, komm her», und da sah Lillebror ein, daß dieser Hund niemals ihm gehören konnte.
«Sieht nicht so aus, als ob man je in seinem Leben einen eigenen Hund bekäme», sagte Lillebror an diesem Tag, als alles so verdreht war, ergrimmt. «Du, Mama, du hast Papa, und Birger und Betty halten immer zusammen, aber ich habe niemand.»
«Liebster Lillebror, du hast doch uns alle miteinander», sagte Mama.
«Das hab’ ich doch überhaupt nicht», sagte Lillebror noch grimmiger, denn ihm kam es plötzlich so vor, als habe er niemand auf der ganzen Welt.
Eins aber hatte er nun doch. Er hatte ein eigenes Zimmer, und in das ging er hinüber.
Es war ein heller, schöner Frühlingsabend, und das Fenster stand offen. Die weißen Gardinen wehten sacht hin und her, als ob sie den kleinen blassen Sternen dort oben am Frühlingshimmel zuwinkten. Lillebror stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Er dachte an den hübschen Hund und malte sich aus, was der wohl jetzt machte. Vielleicht lag er in einem Hundekorb irgendwo in einer Küche, vielleicht saß ein Junge — nicht Lillebror, sondern ein anderer Junge — auf dem Fußboden neben ihm und streichelte seinen struppigen Kopf und sagte: «Fiffi, du bist ein feiner Hund.»
Lillebror seufzte tief. Da hörte er ein leises Brummen. Das Brummen wurde lauter, und ehe er sich’s versah, kam ein kleiner dicker Mann langsam ans Fenster geflogen. Das war Karlsson vom Dach, aber das wußte Lillebror ja noch nicht.
Karlsson warf nur einen langen Blick auf Lillebror, und dann segelte er weiter. Er machte eine kleine Runde über dem Hausdach gegenüber, umflog einmal den Schornstein und steuerte dann wieder auf Lillebrors Fenster zu. Jetzt hatte er die Geschwindigkeit erhöht und zischte an Lillebror vorbei fast wie ein kleiner Düsenjäger. Mehrmals zischte er vorbei, und Lillebror stand nur stumm da und wartete und fühlte, wie es ihm im Magen kribbelte vor Aufregung, denn es kommt ja nicht alle Tage vor, daß kleine dicke Männer am Fenster vorbeifliegen. Schließlich verlangsamte Karlsson dicht vor dem Fenster die Fahrt.
«Heißa hopsa», sagte er. «Darf man sich hier ein wenig niederlassen?»
«Ja, bitte sehr», sagte Lillebror. «Ist es nicht schwer, so zu fliegen?»
«Für mich nicht», sagte Karlsson und warf sich in die Brust. «Für mich ist es überhaupt nicht schwer. Ich bin nämlich der beste Kunstflieger der Welt. Ich möchte aber nicht jedem x-beliebigen Strohkopf raten, es nachzumachen.»
Lillebror fühlte, daß er selbst «jeder x-beliebige Strohkopf» sei, und beschloß sofort, Karlssons Flugkünste bestimmt nicht nachzumachen.
«W 7 ie heißt du?» fragte Karlsson.
«Lillebror», sagte Lillebror. «Eigentlich heiße ich aber Svante Svantesson.»
«Denk bloß, wie verschieden das sein kann — ich, ich heiße Karlsson», sagte Karlsson. «Nur einfach Karlsson und weiter nichts. Heißa hopsa, Lillebror.»
«Heißa hopsa, Karlsson», sagte Lillebror.
«Wie alt bist du?» fragte Karlsson.
«Sieben», sagte Lillebror.
«Gut. Mach so weiter», sagte Karlsson.
Er stellte schnell eins seiner kurzen dicken Beine auf Lillebrors Fenstersims und kletterte ins Zimmer hinein.
«Wie alt bist du denn?» fragte Lillebror, denn er fand, Karlsson sei eigentlich zu klein, um ein Mann zu sein.
«Wie alt ich bin?» sagte Karlsson. «Ich bin ein Mann in meinen besten Jahren. Das ist das einzige, was ich sagen kann.»
Lillebror wußte nicht so recht, was das heißen sollte: ein Mann in seinen besten Jahren zu sein. Er überlegte, ob er nicht am Ende selbst auch ein Mann in seinen besten Jahren war, ohne daß er es wußte, und fragte vorsichtig:
«Welche Jahre sind denn die besten?»
«Alle», sagte Karlsson vergnügt. «Jedenfalls was mich betrifft. Ich bin ein schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mann in meinen besten Jahren.»
Alsdann zog er Lillebrors Dampfmaschine hervor, die auf dem Bücherbord stand.
«Wollen wir die laufen lassen?» schlug er vor.
«Das darf ich nicht, Papa will es nicht haben», sagte Lillebror. «Papa oder Birger müssen immer dabeisein, wenn ich sie laufen lasse.»
«Papa oder Birger oder Karlsson vom Dach», sagte Karlsson. «Der beste Dampfmaschinenaufpasser der Welt, das ist Karlsson vom Dach. Grüß schön und bestell das deinem Papa.»
Er griff rasch nach der Flasche mit
Weitere Kostenlose Bücher