Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
inneres Ohr vor dem hämischen Lachen, den sexuellen Drohungen und anzüglichen Bemerkungen. Wallace stand über ihr, eine Hand in ihrer dichten Mähne vergraben, die andere in der blutigen Wunde an ihrem Arm. Shea verdrängte die Schmerzen und das Brennen auf ihren Wangen.
Dann öffnete sie die Augen. Das Erste, was sie sah, war Ravens leblose Gestalt. Blut breitete sich um ihren Körper aus wie eine zähflüssige rote Pfütze. Ihr blauschwarzes Haar fiel wie ein Schleier auf ihre Wange.
Shea zwang sich weiterzumachen. Ihr Blick wanderte durch den Raum und verharrte auf Eugene Slovensky. Er 411
kniete neben Raven und untersuchte sie, um sich zu vergewissern, dass sie tot war. Dann stand er auf, trat zwei Schritte zurück, räusperte sich und spuckte auf den Körper, bevor er nach einer Leinentasche langte und sie aufriss. Mit einem verzückten Grinsen holte er einen dicken, an einem Ende zugespitzten Holzpfahl heraus und hielt ihn über Raven.
»Teufelsbalg«, zischte er. »Braut des Vampirs, der meinen Bruder getötet hat. Du stirbst am heutigen Tag, während er ahnungslos schläft. Glück für mich, dass der Geier dich und den, der dich geschaffen hat, genauso sehr hasst, wie ich euch beide hasse. Ich weiß nicht, warum er die andere Frau lebend haben will, doch auch in diesem Fall stimmen unsere Wünsche überein.«
»Nicht ganz, Onkel Eugene. Die hier behalten wir für uns selbst. Du hast versprochen, dass wir diesmal den Geier umbringen würden, genau wie die anderen«, wandte Don Wallace ein.
Slovensky hob den Pfahl höher und verharrte direkt über Ravens Brust. »Das hier bereitet mir mehr Vergnügen, als du ahnst.«
»Nein!« Shea versuchte, sich auf Slovensky zu stürzen.
Die Vorstellung, Ravens Körper könnte von einem groben Holzpfahl durchbohrt werden, ertrug sie einfach nicht.
Konzentriere dich auf ihn! , befahl Gregori mit einer Stimme, die selbst aus der Entfernung so viel Macht hatte, dass Shea abrupt innehielt, während Don Wallace'
Schläge sie nicht einmal benommen gemacht hatten.
Shea starrte Slovensky an. Das Bild prägte sich tief in ihr Bewusstsein ein. Sie sah das triumphierende Lächeln auf seinem Gesicht, den Hass, die perverse, krankhafte 412
Lust, die er empfand, als er den Pfahl über Ravens Körper schweben ließ. Dann sah sie, wie sich sein Gesichtsausdruck plötzlich veränderte und hämische Freude blankem Entsetzen wich. Sein Gesicht verfärbte sich erst tiefrot, dann blauviolett. Er hustete krampfhaft.
Blut lief ihm aus Mund und Nase. Wieder hustete er, und sein Arm sank kraftlos herunter und ließ dabei den Pfahl fallen.
»Onkel Eugene?« Das Grinsen um Wallace' Mund verblasste. Er ging einen Schritt auf seinen Onkel zu.
»Was ist denn?«
Slovensky versuchte, etwas zu sagen, aber der einzige Laut, der über seine Lippen kam, war ein ersticktes Röcheln. Mehr Blut quoll aus seinem Mund.
Shea wurde übel, und sie wandte den Blick ab.
Schau ihn an! Gregoris Befehl ließ sich nicht ignorieren.
Als einer der Mächtigsten vom alten Stamm erzwang er ihr Mitwirken ohne Bedenken, indem er ihren Geist genau dorthin lenkte, wo er ihn haben wollte. Jacques und Mikhail unterstützten ihn mit ihrer ganzen Kraft.
Sheas entsetzter Blick kehrte zu dem alten Mann zurück. Er war aschfahl und schwankte unsicher hin und her. Plötzlich fiel er auf die Knie.
»Verdammt, Alter!« Wallace klang erschrocken. »Tu mir das nicht an! Was ist los, zum Teufel? Hast du einen Herzinfarkt?« Er ging nicht in die Nähe seines Onkels, im Gegenteil, er wich zurück und zog dabei Shea mit sich, während er wilde Blicke um sich warf, als hätte er Angst, sie wären nicht allein im Haus.
Slovensky würgte an dem Blut, das aus seinem Mund quoll, er erstickte förmlich daran. Er legte seine Hände um seinen Hals und versuchte, unsichtbare Finger aus 413
ihrer Umklammerung zu lösen. Dann fuhren seine Hände zu seinem Herzen, als seine Brust buchstäblich aufzureißen begann.
Shea schrie auf, konnte aber nicht wegschauen, solange Gre-gori sie zwang, seinem Befehl zu gehorchen.
Erst als plötzlich Slovenskys Herz aus seiner Brust herausbrach und er mit dem Gesicht nach vorn auf den Boden fiel, wurde sie losgelassen.
Wallace gab seltsame winselnde Laute von sich, in die sich Flüche mischten. Er zog Shea hoch und zerrte sie mit sich zur Tür. Ihr Rücken war ihm zugekehrt, und einen Moment lang war Shea dankbar dafür. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie einen Menschen getötet oder auch
Weitere Kostenlose Bücher